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«Wandzeitung» vom 7.12.2014:

Europäische Menschenrechtskonvention:

Ein Bundesrat auf Irrwegen.

Was macht Ihrer Meinung nach die Schweiz aus? Käse? Schokolade? Das Bankgeheimnis? Das Matterhorn? Oder ist es vielleicht die lange humanitäre Tradition, die typisch ist für unser Land? Spätestens seit Mitte des vorletzten Jahrhunderts in der Schweiz das Rote Kreuz gegründet wurde, hat der humanitäre, solidarische Gedanke unsere Gesellschaft geprägt. Und wenn Sie Schweizerinnen und Schweizer fragen, worauf sie ganz besonders stolz seien, hören Sie nicht selten genau das. Aber wie lange noch? Zur Zeit scheint es Mode zu sein, genau diese Tradition in Frage zu stellen. Es ist salonfähig geworden, Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger an den Pranger zu stellen, sie als Schmarotzer zu beschimpfen und Forderungen wie die Aufhebung der Skos-Richtlinien zu stellen. Wer Sozialhilfe bezieht wird für die finanzielle Schieflage von Gemeinden verantwortlich gemacht, auf persönliche Entscheidungsfreiheiten oder kleine Freuden im Leben soll verzichten, wer auf Hilfe angewiesen ist. Ins selbe Horn bläst Bundesrat Ueli Maurer, wenn er vorschlägt, die Europäische Menschenrechtskonvention zu kündigen. Diese Konvention verlangt von den Mitgliedstaaten, dass sie sich an folgende Artikel halten: 1. Verpflichtung zur Achtung der Menschenrechte, 2. Recht auf Leben, 3. Verbot der Folter, 4. Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit, 5. Recht auf Freiheit und Sicherheit, 6. Recht auf faire Verfahren, 7. Keine Strafe ohne Gesetz, 8. Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, 9. Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, 10. Freiheit der Meinungsäusserung, 11. Versammlungs- und Vereinsfreiheit, 12. Recht auf Eheschliessung, 13. Recht auf wirksame Beschwerde, 14. Diskriminierungsverbot.

Wie würden Sie reagieren, wenn diese Rechte und Verbote für Sie nicht gelten würden? Was würden Sie dazu sagen, wenn man Ihnen nicht zugestehen würde, zu heiraten, wen Sie wollen? Was würden Sie davon halten, wenn Sie bestraft würden, ohne dass es ein entsprechendes Gesetz gäbe? Was würden Sie dazu sagen, wenn Ihnen vorgeschrieben würde, welcher Religion Sie anzugehören hätten?

Diese Konvention trat 1953 in Kraft, die Erfahrungen aus zwei Weltkriegen sassen den Menschen in Europa noch in den Knochen. Dass Ueli Maurers historisches Gedächtnis einige Lücken aufweist, ist schon bei anderen Gelegenheiten aufgefallen. In diesem konkreten Fall aber ist die Sache noch um einiges prekärer. Seine Forderung nach der Kündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention zeugt von einer geschmacklosen Gleichgültigkeit Menschen in Not gegenüber. Das scheint in gewissen Kreisen mittlerweile selbstverständlich zu sein. Für ein Mitglied unserer Landesregierung ist eine solche Haltung jedoch völlig inakzeptabel. Als Bundesrat hat Herr Maurer Verträge, die die Schweiz eingegangen ist, zu respektieren. Er hat die humanitäre Tradition unseres Landes aufrecht zu erhalten. Ich erwarte vom Bundesrat, dass er sich in aller Deutlichkeit von dieser Idee seines verwirrten Mitgliedes distanziert!


Christa Benz-Meier,
7.12.2014, 113. Jahrgang, Nr. 185.

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