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«Wandzeitung» vom 9.7.2014:

WM:

Die guten Ausländer.

Seit Beginn der WM spüre ich den Emotionen nach, welche diese Spiele bei so vielen meiner Mitmenschen auslösen und manchmal gelingt es mir ganz gut. Zwar kenne ich die meisten Spieler nicht, dafür bin ich umso erstaunter, wenn ein junger Spieler der bosnischen Nationalmannschaft im Fernsehen in breitem Bündnerdeutsch seine Einschätzung zum Spiel abgibt. Da verspüre ich plötzlich eine Art Heimatgefühl. Mir wird ganz warm ums Herz und ich denke: Das ist ja einer von uns! Ja, das ist einer von uns. Lazlo Lulic kam als Kind in die Schweiz und begann seine Fussballerkarriere in Chur. An der WM spielt er für sein Heimatland Bosnien-Herzegowina.

Wenn ich Lazlo reden höre, merke ich wie vertraut mir die Menschen aus Ex-Jugoslawien sind. Dabei weiss ich nicht mal besonders viel über ihre Kultur, ihre Sprache oder ihre Geschichte. Aber sehr viele von ihnen leben hier und mit einigen von ihnen bin ich aufgewachsen. Sie sind ein Teil meiner Kultur und gehören genauso zur Schweiz wie der urchige Senn auf der Alp.

Interessant ist zu sehen, dass sich die Schweizer Nati sowohl für linke wie für rechte Anliegen instrumentalisieren lässt. Während die einen sagen, dass die Schweizer Nati zeigt, wie wichtig Ausländer für die Schweizer Kultur sind und schon immer waren, sagen die anderen man könne bei diesen Secondos gar nicht von Ausländern sprechen. Für Natalie Rickli sind sie Schweizer, wie auf 20 Minuten online zu lesen war. Doch damit blendet sie einen grossen Teil der Realität aus. Denn unsere Shakiris, Drmics und Mehmedis sind eingewandert. Man hört es nicht nur an ihren Namen, sondern auch an ihren charmanten Akzenten und man sieht es an ihren Frisuren, ja sogar in ihren Gesichtern. Sie sind Secondos. Sie sind Schweizer und Ausländer in einem. Sie bewegen sich zwischen zwei Kulturen, zwischen zwei Sprachen. Sie haben mir, die ich als Schweizerin in der Schweiz aufgewachsen bin, vieles an Erfahrungen voraus. Diese entscheidende Tatsache nun plötzlich in den Hintergrund stellen zu wollen, finde ich inkonsequent. Wenn die Ausländer die Schweizer in ihren Leistungen übertreffen, dann spielt es plötzlich keine Rolle mehr, dass sie Ausländer sind, dann sind sie einfach Schweizer. Wenn sie Straftaten begehen, sind sie Papierschweizer, die es auszubürgern gilt.

Die Integration unserer Fussballstars war bestimmt nicht immer einfach. Die Familie Berahmi wurde 1998 beinahe in ihr Heimatland abgeschoben und konnte nur Dank der Solidarität zahlreicher Bürger und eines Regierungsvertreters im Tessin bleiben. Vielleicht ist der eine oder andere Spieler im jugendlichen Alter auch einmal straffällig geworden. Dann wäre er gemäss SVP-Logik ausgeschafft worden am besten mitsamt seiner Familie, weil Ausländer in unserem Land keine zweite Chance verdient haben. Dabei sollten vor dem Gesetz alle gleich sein. Lasst uns diesen rechtsstaatlichen Grundsatz weiterhin aufrecht erhalten. Hopp Schwiiz!


Anita Blumer,
9.7.2014, 113. Jahrgang, Nr. 34.

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Standpunkte:

22.7.2014, 21:23 Uhr.

Heiner Dübi schrieb:

«Würdigung fremder Sprachen - Idee»: Indem wir zuhören. Auf die uns fremde Sprache könnte geantwortet werden auf das, was wir zwischen den Zeilen lesen.


10.7.2014, 15:12 Uhr.

alfred vogel schrieb:

«schweizer und ausländer in einem ... sie bewegen sich zwischen zwei sprachen, zwei kulturen» - wir haben nur noch nicht gelernt, diese ihre mehrsprachigkeit zu nutzen, zur kenntnis zu nehmen, zu würdigen. wir bemerken nur ein allfälliges defizit in der uns geläufigen sprache. ich war mal ein jahr in nordamerika. dort gibt es nur eine sprache. ich empfand es als frustrierend, dass meine ungehobeltheit im englischen wohl bemerkt, aber meine überlegenheit in der deutschen sprache ignoriert wurde. wie aber die uns fremde sprache gewürdigt werden könnte, da habe ich auch keine idee.


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