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«Wandzeitung» vom 19.3.2018:

Zufälle!

Dr. Glogger.

DER Glogger oder Dr. Glogger? Beides, aber total anders. Da sitze ich eines Montags in der Globus-Bar beim Bellevue. Kommt ein Mann mit Hund und fragt, ob hier noch ein Platz frei sei. Ok, beide bestellen ein Glas Weisswein, man ist kultiviert, hebt das Glas und prostet sich zu. Small talk, klar. Nach drei Minuten sagt mein Nachbar: "Helmut". Ich: "Helmut? dann aber Helmut Maria?" Kurz geschlossen: es war der Helmut Maria Glogger vom Blick. Der Mann, der 30 Jahre lang täglich eine Kolumne für den BLCK geschrieben hat und dann Knall auf Fall herausgeschmissen wurde. Die Geschichte kennt man: Rausschmiss wegen einer mehr oder weniger wichtigen Kleinigkeit (ich denke jetzt nicht an die 4.7 Millionen von P. V.). Bei Glogger gings nicht ums Geld, sondern um einen Text, der dem Chef in den falschen Hals gekommen ist. Helmut Maria Glogger musste ja jeden Tag etwas finden, das die Leute bewegt oder aufregt. Sachverhalte, Personen, Zwiste halt.

Und da Helmut Maria ein direkter Mensch ist, der sagt, was er denkt (und denkt, was er sagt), kommt es oft unverhofft heftig. Und sein Chef hat ihn nach einer Glosse ins Büro zitiert und ihm gesagt, das gehe auf keinen Fall: einen Golffreund durch den Kakao ziehen. "Wie kann ich ihm auf dem Golfplatz wieder in die Augen sehen?" zürnte Michael Ringier resolut.Und schmiss den Glogger raus. Unser Glas Wein war gerade nach dem Rausschmiss, Glogger war arbeitslos (und niemand wollte ihm wie zum Beispiel im Fall P.V. noch 500.000 pro Jahr für kleine Beratungen anbieten...). Zu Michael Ringier gibt es nicht viel zu sagen: ihm gehört der Blick plus einiges Zugemüse. Ein schönes "on-dit" zirkuliert regelmässig in der Szene. Das Einzige, was Ringer könne, sei erben.

Ein halbes Jahr Pause bis zum Wiedersehen mit Helmut. Ich sitze beim Weisswein, von ferne sehe ich Glogger, er stürzt sich auf mich, umarmt mich heftig und berichtet mir, dass er – wie ich seinerzeit – dem Tode von der Schippe gesprungen sei. Ein schwerer Motorradunfall hat ihn fast das Leben gekostet. Wir sprechen über Leben und Tod, in einem eher unpassenden Rahmen.

Im Rathausdurchgang liegt bei Ueli Harsch ein Taschenbuch draussen auf einem Gestell: XENESIS von Beat Glogger. Ist er dem Helmut verwandt? Ich beginne zu lesen und kann kaum mehr aufhören. Es geht um Nierentransplantationen vom Schwein zum Menschen. Spannung bis zur letzten Zeile.

Dann rufe ich Beat Glogger an: nicht verwandt mit Helmut, aber auch schreibend, und zwar viel: Beat Glogger bricht wissenschaftliche Texte auf ein verständliches Niveau herunter, war lange Jahre beim Schweizer Fernsehen und wissenschaftlicher Mitarbeiter verschiedener Zeitschriften. Für seine Verdienste hat ihm die ETH den Dr. h.c. verliehen. Beat Glogger empfiehlt mir seinen anderen Roman, bei dem es um Doping geht. Ich hole ihn in seinem Büro am Neumarkt in Winterthur ab. In Arbeit hat er einen weiteren Roman, der im Frühjahr nächstes Jahr herauskommen wird. Ich glaube je länger je weniger an Zufälle. Einiges fällt einem einfach zu. Das Gloggerbuch bei Ueli, der Gloggerwein beim Bellevue.

PS: Helmut Maria ist bei einem Unfall in Zürich 2016 ums Leben gekommen.


André Bernard,
19.3.2018, 117. Jahrgang, Nr. 78.

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