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«Wandzeitung» vom 19.5.2018:

Falls Sie auswandern wollen ...

Abzocker in der Wüste.

Einigen Schweizern ist das Leben als Rentner in der Schweiz zu teuer. Mit der AHV allein wird man hierzulande nicht richtig glücklich. Also wandert man aus: dorthin, wo es billiger und wärmer ist: nach Spanien, Südfrankreich oder Marokko. Im Fernsehen kann man in speziellen Sendungen erfahren, wie es dort zu und her geht, auch wenn es weiter weg ist, zum Beispiel in Südamerika.

Hier ein Special für Marokko-Willige. Vorteil in diesem Land: man kommt mit unserem Schulfranzösisch gut durch. Im Internet bieten sich einige Einwanderer, vor allem Deutsche, mit Dienstleistungen an: sie wollen helfen, den Papierkrieg zu bewältigen, die Einreise zu erleichtern und einiges mehr. Am besten geht man vorerst einmal ganz privat ins Land, um zu erfahren, wie man sich fühlt. Es ist wärmer als man denkt. Bei der Ankunft in Marrakesch kann es gerne mal 45 Grad sein, am Meer, zum Beispiel in Essaouira, geht wenigstens ein Wind, und die Nächte sind kühler.

Abzocken lassen kann man sich natürlich nicht nur in der Wüste, in den grossen Städte Marokkos geht es auch ganz leicht: Teppichhändler wollen, dass man mit ihnen feilscht, und leider macht der Europäer dann meistens erstens mit und zweitens wird er Zweiter. Obwohl ich nicht aufs Maul gefallen bin, ist mir das bei der ersten Reise auch passiert.

Interessant für den Hilfe-Manager, den ich ausgewählt hatte, wird es erst richtig, wenn man ein Projekt in Marokko starten will. Abholservice am Flughafen mit einem Wagen samt Klimaanlage. Bei mir war es so: eine alte Karosse ohne Klimaanlage, wobei der Fahrer lachend sagt, das sei die marokkanische Version der Klimaanlage: alle Fenster auf! Da kommt nur der heisse Wüstenwind rein, und die Fahrt wird zu einer Dreistunden-Sauna samt Schüttelmassage. Preis: Doppelt so hoch, wie ein Taxi, aber das merkt man erst bei der Bezahlung.

Geplant hatte ich bei dieser Reise ein Dreitagesprogramm mit Besuch von mietbaren Häusern, Werkstätten etc. Alles war schriftlich festgelegt, aber bei der Ankunft war nichts, aber auch gar nichts organisiert. Mein deutscher Helfer war restlos überfordert und hat sich mit der Ausrede "Die Schweizer haben die Uhren, wir haben die Zeit" herausgeredet. Völlig genervt war ich dann allerdings über die Bemerkungen zu unserer Politik und vor allem zur KESB, mit der mein Deutscher nun wirklich keine Erfahrungen hatte, sie aber kräftig kritisierte. Die KESB sei kriminell.

Dann kamen immer neue Geldforderungen, die nie vorgesehen waren, ich wurde in Restaurants ausgesetzt, die bei uns von der Hygiene her unmöglich wären. Dann das Klagelied, wie viel Zeit er für die Vorbereitung eingesetzt hätte – den Rest erspare ich Ihnen.

Warnung: Fallen Sie nicht auf die Mailadresse "calme-toi" herein, denn da steckt mein "Helfer" dahinter, der es auf Ihr Geld abgesehen hat, aber behauptet, mit allen Autoritäten des Landes befreundet zu sein. Wie sich dann herausstellt, sind das leider nur ganz untere "Kader", die aber als hochgestellte Persönlichkeiten vorgestellt werden. Fazit: ich wandere nicht aus, aber Marokko kann man sehr wohl geniessen, vor allem auch ganz ohne "Hilfe" aus dem Internet. Calmez-vous!

 

 


André Bernard,
19.5.2018, 117. Jahrgang, Nr. 139.

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