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«Wandzeitung» vom 3.6.2018:

Erwartungspräservativ:

Liebe Daniele.

Ach, bis vor wenigen Tagen habe ich nicht gewusst, wer Sie sind, und ich hatte nicht einmal eine Ahnung, ob Sie Mann oder Frau sind. Dann allerdings hat mich eine unerhört brillante Kritik richtig neugierig auf Sie gemacht. Vor allen Dingen hat mich ein Wort beeindruckt, das ich bislang nicht gekannt habe: Erwartungspräservativ.

Daraufhin versuchte ich, mit Ihnen in Kontakt zu treten, was mir an die zehnmal misslungen ist. Ich wollte unbedingt das Wort in einem Text verwenden, und da wollte ich vor allen Dingen wissen, ob Sie die Schöpferin dieses Ausdrucks sind. Im Zuge meiner Internet-Suche habe ich dann vernommenen, dass Sie erstens weiblich und zweitens mutig sind. Und drittens etwas ebenso gerne tun wie ich: abschreiben. Das ist ja an sich gar nichts Schlimmes, ausser man gibt es nicht zu. Ich komme noch darauf zurück. Aber zuerst schreibe ich mal ab, und zwar bei Ihnen. Es geht um die Kritik einer Theateraufführung, die ich gerne nicht verpasst hätte, um HATE. Am 15. Mai konnte man in der NZZ darüber lesen, wie drei sonderbegabte Wuchtbrummen der Gender-Debatte in Zürich für ein handfestes Ereignis gesorgt haben. Und Gender und die Streitigkeiten und Diskussionen darüber interessieren mich seit einiger Zeit. Von Luise F. Pusch habe ich das Gesamtwerk ihrer "sprachkritischen Glossen" gelesen, was meist instruktiv und oft auch lustig ist. Weniger lustig sind die in Politik und Bildung geführten Debatten (siehe Deutscher Bundestag und Universität Bern und PHs in Hülle und Fülle.)

Und dann kamen Sie, liebe Daniele, mit "Fack ju Gender" mir total gelegen. Sie sehen das gar als fulminanten zweiten Teil zum "Fack ju Göhte (sic)"-Film. Um das zu verstehen, müsste man das Stück HATE in Zürich gesehen haben oder im Ersatzfall Ihre Besprechung gelesen haben. Und jetzt schreibe ich einfach ab, denn Ihr Text ist nun einmal so toll, dass man daran nichts ändern oder verbessern kann.

Was vor der Aufführung in Pfäffikon los war, hat die Diskussion um Gender und den damit verursachten Gender-Hooliganismus noch um einiges verschärft.

Zwei Tage nach dem Auftritt des "Schwulenheilers" Arne Elsen überbietet eine Theateraufführung die Realität. Sie steht im Zeichen des Einhorns, des inoffiziellen Maskottchens der Lesben- und Schwulenbewegung. "Selbstermächtigung ist ein Programm, man ist gewarnt. Doch die Warnung funktioniert bestenfalls als Erwartungspräservativ. Nämlich gar nicht."

In HATE stand übrigens ein Darsteller auf der Bühne, der in Zürich einmal einem Theaterkritiker ans Bein – nicht gepinkelt – sondern geschlagen hat. Es handelt sich beim Schauspieler um José Barroso, den Sie vielleicht im Borowski-Tatort oder in der "Maire Brand"-Reihe im ZDF gesehen haben.

Nun, des Abschreibens und Zitierens ist genug, ich mag da auch gar nicht alte Geschichten aufwärmen – zum Beispiel jene, die dazu geführt hat, dass Sie die siebenköpfigen Jury des Berliner Theatertreffens verlassen mussten. Sie hatten damals – mutig, ja! – ganze Passagen der Laudatio praktisch unverändert aus dem Programmheft einer Aufführung im Residenz-Theater München abgeschrieben. Warum das Drama? Das Programmheft war doch gut!


André Bernard,
3.6.2018, 117. Jahrgang, Nr. 154.

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