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«Wandzeitung» vom 8.2.2018:

die reformierte kirche betreffend:

sonntagsgedanken.

ein sonniger sonntagmorgen. wir sitzen im garten beim verspäteten morgenessen, streichen konfitüre aufs brot und lassen den kaffee die kehle hinunter rieseln. über uns vogelgezwitscher. nun fangen die glocken zu läuten an. die einladung, sich in den gottesdienst zu begeben. eine kleine schar lässt sich locken. was suchen sie dort? was bewegt sie, diesen weg zu machen? die gemeinschaft mit andern kirchgenossen, das orgelspiel, die schönen alten kirchenlieder, die anregende und erbauliche predigt von der kanzel, das gemeinsame gebet und das hinausgehen in die neue woche.

was aber, wenn die gemeinschaft darin besteht, aneinander vorbei zu gehen und ohne voneinander notiz zu nehmen die hintersten plätze des kirchenschiffs einzunehmen? der tägliche einkauf im dorfladen schafft mehr gemeinschaft. was aber, wenn die orgelmusik wie ein brausender wasserfall von der empore herab die ohren zudeckt? dann doch lieber das angebot des eigenen radiosenders. was aber, wenn der liedgesang von den einen mit schütterer stimme absolviert und von den andern mit unbeteiligtem oder gequältem gesicht erduldet wird? was aber, wenn sich die rede des pfarrers mit längst bekannten sprüchen begnügt und der leitartikel des lokalblattes mehr gehalt aufweist? und was soll’s, wenn sich nach der gemeinsamen stunde das tun beschränkt hat auf: kommen – sitzen – zuhören – wieder gehen und das war‘s dann? kaum mehr eine organisation im kulturellen bereich wird sich heute mit einer solchen kommunikation der einbahnstraße zufrieden geben. die menschen, die nur einfach zuhören und aufnehmen wollen – ich denke, die gibt es auch – können ruhig zu hause im lehnstuhl sitzen bleiben und die drs-sternstunde genießen. sie haben mehr davon.

indessen aber macht sich die offizielle kirche wenig gedanken über solche fragen. sie lässt sich zur zeit von anderem bewegen. ich war viele jahre in der evangelisch-reformierten synode. wir beschäftigten uns vorwiegend mit strukturen, mit fusionen, mit sinkenden mitgliederzahlen, mit finanzströmen, mit personalverordnungen und pfarrergehältern. hat die landeskirche schon einmal erhoben, was die kirchgänger/innen suchen? hat sie die frage gestellt, was die zu hause frühstückenden für erwartungen an sie hätten? doch, sie hat. ich kenne die vier kundensegmente wohl, die eine diesbezügliche studie formuliert hat. aber ist seit dieser erhebung etwas in gang gesetzt worden?

gewiss, da wären durchaus erwartungen an die kirche, sogenannte visionen: eine lebensgemeinschaft von menschen zu werden, die sich untereinander kennen, die sich nahe sind, die gemeinsam feiern, trauern, über zustände klagen, sich über erreichtes und geschenktes freuen. ein serbelnder verein, sagt der kommunikationsberater, kann entweder die ansprüche an seine mitglieder etwas herunterfahren oder er kann im gegenteil seine aktivitäten steigern: im einen fall führt es zur schließlichen auflösung, im andern fall zur belebung.

 


Alfred Vogel,
8.2.2018, 117. Jahrgang, Nr. 39.

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