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«Wandzeitung» vom 8.5.2018:

von der 'unbedenklichkeit' der schwachen dosis:

was wissen schon blattwanzen.

wenn wir über atomkraft reden – über die sogenannte friedliche atomkraft – so stehen zwei katastophen im vordergrund, tschernobyl 1986 und fukushima 2011. bei tschernobyl spricht die atomenergie-agentur von 60 toten und 4000 folgetoten, eine internationale ärztevereinigung dagegen von 100'000 toten und 750'000 folgeerkrankten. so weit klaffen die zahlen auseinander. wie dem auch sei, die tragweite der beiden ereignisse ist unbestritten. die auswirkungen weltweit sind irreparabel und messen sich nicht an den opferzahlen.

reden wir aber einmal von den unscheinbareren erscheinungen. ich stütze mich im folgenden auf das buch von cornelia hesse-honegger: die macht der schwachen strahlung (2016). die autorin ist wissenschaftliche zeichnerin. sie hat bei ihrer arbeit markant viele exemplare von missgebildeten blattwanzen in der umgebung von schweizerischen atomkraftwerken gefunden. sie legt in ihrem buch bilder von solchen missgeburten vor. ich habe diese bei ihrer buchpräsentation gesehen. da ist zum beispiel ein wesen mit einem flügelpaar auf dem rücken abgebildet, von dem einer der flügel nur halb so lang ist wie der andere. das muss ein trauriges ansehen sein, wenn so ein tierchen anstalten macht, sich in die luft zu erheben.

die frage ist: haben niedrige strahlendosen, wie sie von atomanlagen in die umgebung abgegeben werden, eine gesundheitsschädigende wirkung? von der atomindustrie wird dies stets bestritten. seit langem aber werden in der nähe von atomanlagen vermehrt leukämie- und krebserkrankungen gemeldet. frau hesse schreibt: «man weiß heute, dass chronische schwache dosen (…) langfristig gefährlichere wirkung haben, als die internationalen strahlenschutzgremien behaupten» (s. 52).

«kernkraftwerke geben im normalbetrieb vor allem durch die abluftkamine und mit dem abwasser eine vielzahl von radioaktiven isotopen ab, die kontinuierlich in die umwelt gelangen. (…) eine stichprobe des konsumentenmagazins ‘gesundheitstipp’ im jahr 2010 zeigte in der nähe des akw mühleberg 15-fach erhöhte tritium-werte in 850 meter distanz» (s. 123). sie lügen nicht, die blattwanzen, die mit verkürzten flügeln und verkümmerten gliedmaßen zur welt kommen. auch wenn in einem eth-bulletin eine dissertation zitiert wird, die beweisen soll, dass «kernkraftwerke keine deformationen bewirken könnten», und der damalige eth-präsident sich gegenüber frau cornelia hesse äußerte, sie solle «die wissenschaftliche aussage der dissertation anerkennen und von jetzt an schweigen.» ein eigenartiger wissenschaftler muss das sein, der befunde einfach ignoriert und auf unbequeme gegenthesen gar nicht eintreten will.

was bei blattwanzen zu missbildungen führt, wird auch auf menschliche gene seine auswirkungen haben. etwas anderes zu glauben, wäre wunschdenken. im vergleich mit den blattwanzen werden sich wegen der längeren generationenfolge bei unserer spezies die schäden nicht nach monaten, sondern nach jahrzehnten einstellen. die behörden und die politik können also… zuwarten und nichts tun.

 


Alfred Vogel,
8.5.2018, 117. Jahrgang, Nr. 128.

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Standpunkte:

11.5.2018, 10:35 Uhr.

andreas Moor, rünenberg schrieb:

alfred, ich gratuliere dir zu diesem Artikel.
nur der Schlusssatz gefällt mir nicht. schlimmer als "nichts tun" ist, die Grenzwerte - wenn's der profit der akw verlangt -wie bei beznau um das 100-fache zu erhöhen.


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