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Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
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«Wandzeitung» vom 8.7.2018:

ausflug ins mittelalter:

rothenburg ob der tauber.

haben sie diese stadt gekannt? ich nicht. aber der name mit seinem klang hat es mir angetan, und so sind wir für einige tage hingefahren. eine richtige trouvaille. wie es den anschein macht ist die destination, nicht wie bei mir bisher, in china und japan durchaus bekannt. wir sehen es daran, wie die hauptgassen und -plätze bevölkert sind. wenigstens zwischen 9 und 19 uhr. in zahlreichen haufen treten sie auf, diese menschengruppen aus dem fernen osten, mit einem knopf im ohr, durch welchen sie die hinweise auf das sehenswürdige entgegennehmen, und einer stange mit handy vor den augen, um selbiges sogleich einzuverleiben – es ist ja erstaunlich, was in so einem kleinen gerätchen alles platz findet – und es auf die andere seite des erdballs tragen zu können. für land und leute haben sie weder interesse noch die möglichkeit der wahrnehmung. ich versuchte mit einem einzelnen teilnehmer ein bescheidenes gespräch anzuknüpfen. ich wollte wissen, ob es sich bei seiner gruppe um chinesen oder japaner handle. wie leuchtete sein gesicht und strahlten die seiner umstehenden, als sie meine worte und gebärden deuten und das wort ‘tschaina!’ ausrufen konnten. welch eine völkerverständigung in nuce.

ob solchen eindrücken wollen wir uns aber nicht täuschen lassen. wer morgens vor oder abends nach dem ansturm durch die gassen schreitet, ist von den prächtigen bürgerhäusern und historischen bauten und von den vielen rosensträuchern beeindruckt. dank dem politischen niedergang nach dem dreißigjährigen krieg hat die stadt ihr mittelalterliches gepräge weitgehend bewahrt. ein prunkvolles rathaus, eine beeindruckende gotische stadtkirche. dort erlebten wir das konzert eines orgelvirtuosen aus schweden und auf dem platz vor unserem hotel hörten wir einem innig geigenden straßenmusikanten aus weißrussland zu.

es gibt oben auf der intakten stadtmauer einen rundgang, den wir anderntags begehen konnten. von dort schauten wir auch in ruhigere quartiere hinab und hinaus ins grüne: ins tal der tauber, die die stadt in mäandern umfließt, und in eine grüne und weitgehend ursprüngliche landschaft. die größe der anlage ist von da oben aus gut zu überblicken: der historische kern umfasst ein quadrat von 700 auf 700 meter (die winterthurer altstadt fände gerade zwei mal nebeneinander platz darin). im jahr 1945 fielen zwei fünftel der stadt bei einem bombenangriff in trümmer. es war eine verlegenheitsgabe, denn das angeflogene ziel lag unauffindbar unter wolken und die bomben mussten doch irgendwo abgeworfen sein. nach dem krieg erfolgte der wiederaufbau im vorherigen zustand.

hoch auf dem berg eine stadt weitab von der besiedelten welt, aber durchaus nicht vergessen von der weiten welt: eine reise lohnt sich.

einige tage später waren wir wieder zurück. aber mit diesem meinem fünfzigsten beitrag für die wandzeitung beende ich nun die regelmäßige mitarbeit und möchte nur noch dann und wann schreiben, wenn mir etwas auf der zunge brennt. ich spreche guido blumer meinen wärmsten dank aus für die einzigartige plattform, die er uns mit seinem medium geschaffen hat und täglich betreibt.


Alfred Vogel,
8.7.2018, 117. Jahrgang, Nr. 189.

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