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«Wandzeitung» vom 10.2.2018:

Ja, so ein Kind öffnet Tore und Herzen:

«Grüezi und herzlich willkommen».

Die Dame im adretten Kostüm mit roten Lippenstift und zusammengebundeten Haaren strahlt regelrecht, als wir das Flugzeug betreten. Und sie strahlt nicht wegen uns, sondern wegen dem kleinen Prinzen in meinem Arm, der begeistert zuvor die Flugzeugstür betatscht, bereits einen Schreianfall vor dem Einsteigen hatte und nun mit grossem Augen die unbekannte Frau anschaut. Alles neu, alles cool, alles muss in den Mund, wird auf den Boden geworfen, wird untersucht und nur für gut befunden, wenn es sich auch nach 10 Minuten im Mund nicht aufgelöst hat.

«Lueged Sie, es Plüsch-Flügerli für de Chli ... so ne Herzige! Isch es ds erste Mal wo ner flügt? Und da no es Lätzli und vilicht öppis zum Mahle. Sie rüefed, wenn sie öppis bruched».

Ui, so nett! Also wir fliegen öfters, aber so nett behandelt, wie wir es jetzt werden, haben wir schon lange nicht mehr erlebt. Zumindest nicht mehr, seit die Swiss deutsch ist. Aber das ist ein anderes Thema. Auf diesem Flug werden wir bestens betreut. Dank dem Prinzen.

Überhaupt, seit wir ein Kind haben, erlebe ich eine nettere und freundlichere Seite meiner Mitmenschen. Wenn der Kleine gurgelt und Töne nachahmt, dann lachen die Menschen im Supermarkt. Wenn er mit viel Eleganz auf einem Fuss balanciert, applaudieren wildfremde Menschen. Gross ist die Begeisterung. Nur dann, wenn er gerade einen Schreianfall hat (was er zum Glück nur selten hat), erntet man mitleidende Blicke. Aber auch die scheinen, noch, gut gemeint zu sein.

Ja, so ein Kind öffnet Tore und Herzen. So ein Kind ist ein Magnet. Manchmal kann auch es auch ein bisschen zu viel des Guten sein. Dann wenn man eigentlich zu zweit schmusen und eine aufdringliche Oma sich fast anschliessen will. Oder dann, wenn wildfremde Menschen ihn anfassen. Meistens an der Hand oder Backe. Da kommt mir in den Sinn, wie mir vor Monaten beinahe schlecht wurde, als eine Marktverkäuferin den damals Neugeborenen mit ihren nicht ganz sauberen Händen anfasste. So viele Bakterien! Jetzt sehe ich das entspannter. Trotzdem, warum haben Menschen den Drang Schwangeren über den Bauch zu fahren und Kindern die Backen zu streicheln? Verstehe ich nicht.

Einem Kind offeriert der Metzger ein Wurstredli, die Burenfrau lockt mit Rüebli und beim Becker gäbe es bestimmt auch eine Süssigkeit. Einem Kind lacht man automatisch zu und auch ich muss mich zusammenreissen und nicht wildfremde Kindern über die Haare fahren oder die Finger anfassen.

«Ufwiederluege und schön sind Sie mit öis gfloge ... und gell: du chunsch wieder, chline Mah?».

Der kleine Mann strahlt. So viel Aufmerksamkeit, das gefällt ihm sehr. Und uns eigentlich auch.

 


Oriana Ziegler-Somarriba,
10.2.2018, 117. Jahrgang, Nr. 41.

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