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«Wandzeitung» vom 10.3.2018:

Der Kleine findet es spannend, wenn sich was soweit oben bewegt:

Gerne.

Doch, er arbeite gerne da. Auch bei Regen, oder Wind, auch wenn es heiss und stickig sei und sogar jetzt, wo es unter Null war und die Biese alles kälter erschienen liess. Das sei sein Traumjob, hier auf der Baustelle. Imposant ragt der Kran über den Bahnhof. Weit oben sitzt ein Mann, der präzis Elemente für die neue Personen-Passerelle über den Gleisen hin und her schiebt. Tagelang haben mein Sohn und ich aus dem Fenster beobachten können, wie der Kran aufgebaut wurde. Wie Lego, einfach in echt. Faszinierend.

Der Kleine findet es spannend, wenn sich was soweit oben bewegt. Nun steht er also da der Kran an der Rudolfstrasse. Unten die grosse Baustelle. Mittendrin Christian. Deutscher, grossgebaut und seit der Lehre auf dem Bau. Doch, er arbeite gerne da. Er könnte sich ein Bürojob nicht vorstellen. Langweilig fände er das. Am liebsten fährt er mit dem Bagger. Wie wohl jeder Junge. Oder eben Mann. Christian arbeitet gerne, und obwohl ich nach 5 Minuten draussen schon friere, finde ich es eindrücklich, wie viel Enthusiasmus der Bauarbeiter für seinen Job hat. Toll finde ich das!

Wenn ich die Kleinen im Haus spielen sehe, wenn unser Kleine mutig ein neues Zimmer erforscht und dabei x-mal auf den Kopf fällt, wenn ich an der Kasse das Mädchen vor mir beobachte, dann überlege ich mir, was sie mal sein werden. Wir geben ihnen all unsere Liebe. Laufen mit ihnen die ersten Schritte. Riechen an gelben Blumen und machen den Salat schmackhaft. Wir lernen ihnen Lesen, und das 1x1. Wir kuscheln sie in den Schlaf und trösten sie beim Hinfallen. Wir schmusen, schimpfen, tragen hin und her. Doch was sie schliesslich werden wollen, das werden sie selber herausfinden müssen. Wir versuchen, ihnen die besten Rahmenbedingungen zu schaffen, den Rest machen sie. Julian wird wahrscheinlich Magaziner, weil er so gerne hin und her schiebt und für so ein kleiner Mensch krass viel Kraft hat. Maximilian wird Arzt, der Name verpflichtet. Leni singt so gerne, da ist doch die musikalische Karriere vorprogrammiert. Was wird aus ihnen? Wir wissen es nicht. Mein Mann und ich machen ein Spiel daraus: Wir schreiben unsere Job-Ideen für die Kids auf einen Zettel und in 18 Jahren machen wir den Realitätscheck. Vermutlich ist Julian Pianist und Maximilian und Leni haben Jobs, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können.

Eigentlich ist es auch egal, was sie später mal machen werden. Solang sie es gerne machen. Und solang sie zu denen Menschen werden, die wir gerne haben. Offen, respektvoll, tolerant, selbstkritisch, liebevoll, lustig.

Noch ist diese Zukunft weit weg. Zum Glück. Mein Baby schmiegt sich an mich, hält sich mit der linken Hand fest und mit der rechten zeigt er auf den Kran und lacht. Er wird Kranführer.


Oriana Ziegler-Somarriba,
10.3.2018, 117. Jahrgang, Nr. 69.

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