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«Wandzeitung» vom 15.3.2018:

"Müssen-Wollen-Wählen":

Putin wird mächtiger und fragwürdiger.

Putin braucht immer mehr Platz. Das wurde klar, als er kürzlich seine Rede zur Lage der Nation vom Kreml in den grossen Moskauer Manege-Saal verlegte. Immer grösser, immer stärker, immer schneller, immer besser, ... Alles, schien in dieser Rede gigantische Ausmasse anzunehmen – Raketen, Torpedos, Bomben – und seine Macht.

Umfragen geben ihm mehr als 80 Prozent für die Wahlen, nur Kim hat mehr. Einmal mehr scheint die jämmerliche Opposition geteilt, zerstampft, zerstritten und ausgelacht. Einmal mehr scheint sein spöttisches Lächeln über alles "Demokratische" zu siegen. Einmal mehr steht er mit politischen "Clowns" im Ring, die seine (Raketen-) Faust spielerisch erledigen wird.

Doch wer seine Rede verfolgte, dem schien als würde nur sein Podest immer höher, seine Beine aber immer kürzer. Nicht Lügen – Visionen! Das Wirtschaftswachstum, die Einkommen, die Renten, die Inflation, die Teuerung, die Geburtenrate, die Lebenserwartung – alles tönte wie in einem "Wunschland Russland". Und alles soll noch besser werden!

Dementsprechend nahmen auch Länge und Lautstärke des Applauses zu – am Ende waren die folgsamen Ovationen stehend. So folgsam wie jene 80 Prozent, die Putin wählen wollen-müssen, klang auch das müde Klatschen. Gleichzeitig lag eine ängstliche Ahnung in der Luft, wie viele von jenen, die ihm jetzt zujubelten, zuhause längst Nawalnys "Feindsender" hörten.

Alexei Nawalny, Putins schlimmster Feind, wurde gar nicht erst zur Wahl zugelassen und ruft darum zu deren Boykott auf. In seiner wöchentlichen Youtube-Botschaft sägt er frech und wortgewandt an Putins Säulen der Macht. Seine grösste Helferin ist Putins eigene Entourage, deren Korruption und Faux-Pas die Glaubwürdigkeit des Regimes zerfressen.

Kokain im Diplomatengepäck, abgestürzte Raketen, gedopte Sportler, Geheimarmeen in Syrien – Nawalny kann sich nicht beklagen. Sein Spott scheint Putins Spott immer mehr zu übertönen. Nun, da er schon von der Wahl ausgeschlossen ist, will er doch dem Kreml zu Leide leben, so gut es geht. Sein Ziel sind all jene Studenten, Soldaten und Staatsangestellten, mit deren Hilfe sich Putin nicht nur ein weiteres Mal in den Thron hieven – sondern auch eine glänzende Wahlbeteiligung herbeiführen will.

"Niemand wird Euch entlassen, wenn ihr nicht wählen geht, habt keine Angst", flüstert Nawalny seinen Hörern zu. "Wenn ihr offen Eure Meinung sagt, wird man Euch sofort in Ruhe lassen." So redet Nawalny seelenruhig gegen die staatliche Zwangsmaschinerie an, die am 18. März Millionen Abhängiger zum "Müssen-Wollen-Wählen" an die Urne bringen will. Statt wählen zu gehen, solle man sich als Wahlbeobachter melden und Verstösse an dieser "Wahl ohne Wahl" melden, fährt Nawalny weiter.

Und so verbreiten sich seine Boykott-Rufe als heimliches Flüstern in der Gesellschaft. Ein Flüstern, das lauter und lauter wird.


Eugen von Arb,
15.3.2018, 117. Jahrgang, Nr. 74.

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