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«Wandzeitung» vom 15.4.2018:

Nach Putins Glanzwahl macht sich Müll- und Brandgeruch breit:

Es brennt, es stinkt.

Mit väterlich-gütigem Lächeln und der obligaten Freudenträne im Auge nahm Putin am 18. März seine haushohe Wieder-Wieder-Wahl als Präsident zur Kenntnis. Alles schien an diesem Bild zu stimmen, nur roch es plötzlich so komisch – nach Müll und Feuer.

Nicht im Kreml aber im Moskauer Vorort Volokolamsk wurden drei Tage nach Putins Wahl dutzende Kinder mit Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus gebracht. Die Ursache war längst bekannt – die giftigen Dämpfe der nahen Abfalldeponie. Schon seit Monaten hatte sich die Bevölkerung über den bestialischen Gestank beschwert, doch niemand reagierte.

Doch jetzt ging es um die Kinder, man hatte genug und ging zu tausenden auf die Strasse. Jetzt kam auch der Gouverneur, begleitet von Omon-Sonderpolizei, deren Schutz er freilich brauchte, denn die Wut des Volkes hatte bereits den Siedepunkt erreicht. Für die Kinder wurden Zwangs-(Müll-) Ferien angeordnet, ausserdem wurden Gasmasken verteilt – was man nicht riecht, stinkt nicht.

Ironischerweise stellte sich heraus, dass ausgerechnet die Schliessung einer anderen Deponie, die letztes Jahr auf Befehl Putins während seines "Gesprächs mit dem Volk" geschlossen worden war, zum Überquellen von jener in Volokolamsk geführt hatte. Irgendwo musste der Dreck schliesslich hin, und das St. Floriansprinzip funktioniert in Russland genauso wie anderswo.

Das Rohr ist voll, und die Kacke dampft! Aber nicht nur in Volokolamsk, sondern auch in zahlreichen Städten und Regionen Russlands – es ist der Wohlstandsmüll einer kaufsüchtigen Bevölkerung, der die Gruben füllt. Ihr sind Menschenrechte ziemlich egal, aber der mörderische Gestank treibt auch sie auf die Strasse. Die Müllentsorgung ist ein einträgliches und zutiefst korrumpiertes Geschäft, und wer weiss, wie lange sich die Leute durch Versprechungen hinhalten lassen.

Ein ganz anderer Gestank zog nur wenige Tage später durch den Kreml, es war der Brand- und Leichengeruch aus der sibirischen Bergbaustadt Kemerowo. Beim Brand im Einkaufszentrum "Zimnaja Vishnja", Winterkirsche verbrannten und erstickten am 25. März: 64 Menschen, davon 41 Kinder. Dabei offenbarte sich zum einen ein völliges Versagen der Sicherheitseinrichtungen und der Rettungskräfte, die nicht einmal Hubschrauber zur Verfügung hatte. Zum anderen ergab sich eine katastrophale Lügenkette, die dutzende von Menschenleben kostete.

Selten demonstrierte sich Putins "Machtvertikale" in so erschreckender Weise: Zuerst hatte eine Kinomitarbeiterin der Direktion gelogen, das Kino sei leer, dann gab diese die Falschmeldung der Feuerwehr weiter. Diese wiederum sperrte das Einkaufszentrum ab, während drinnen im Kinosaal die Kinder vergeblich auf Hilfe warteten.

Alle hatten ihre Pflicht erfüllt – auch wenn es brandschwarz gelogen war – vorauseilender Gehorsam in Reinkultur. So ist Putins System aufgebaut, und so wurde er gewählt. Doch der Glaube an die eigene Propaganda ist gefährlich. Die Müllberge wachsen weiter, und der Gestank der Korruption nimmt zu. Bald wird es vielleicht gar keine politische Opposition brauchen, weil all jene auf die Strasse gehen, die wollen, dass ihre Kinder atmen und leben.


Eugen von Arb,
15.4.2018, 117. Jahrgang, Nr. 105.

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