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«Wandzeitung» vom 16.2.2018:

Fortschritt behindern? Nein: Fortschritts-Angst loslassen:

Robotersteuer.

Maschinen übernehmen unsere Arbeit. Wir sind nicht die erste Generation, die damit zu kämpfen hat. 1832 brannte in Uster die Weberei Corrodi und Pfister: Arbeiter hatten sie in Flammen gesetzt, aus Protest gegen die fortschreitende Mechanisierung in der Textilindustrie, die ihnen die Arbeit wegnahm. Heute ist eine Textilindustrie ohne Maschinen kaum mehr vorstellbar. Und es geht weiter so. Billettautomaten anstelle von Schaltern sind längst normal; auch an die Selfscanning-Stationen anstelle von Kassen haben wir uns gewöhnt.

Der Fortschritt bringt nicht nur Wohlstand, sondern fordert auch Opfer. Leute verlieren ihre Stelle und Existenzgrundlage. Das macht Angst. Laut einer kürzlich publizierten Umfrage sehen ein rundes Drittel der Befragten die Digitalisierung als Gefahr an. Etwa die Hälfte sieht darin mehr Chancen als Gefahren. Der Marktforscher Vimentis, der jedes Jahr Umfragen zu aktuellen Themen durchführt, hat letzten Herbst rund 22 000 Personen dazu befragt. Auch die Robotersteuer war ein Thema: eine Steuer, die Firmen entrichten sollen, wenn sie Maschinen statt Menschen einsetzen. Linke Kreise und Gewerkschaften fordern die Einführung einer solchen Steuer, auch, um die Sozialwerke am Leben zu erhalten. Arbeitgeber bezahlen Sozialabgaben in AHV, Invalidenversicherung und andere Werke, wenn sie Leute einstellen. Bei Maschinen entfallen diese, weshalb sie eine Art Busse oder Ersatzbetrag dem Staat abliefern sollen. Der Bundesrat lehnt eine solche Steuer ab, wie er Ende 2017 in einer Antwort auf einen Vorstoss der Grüne-Nationalrätin Lisa Mazzone schrieb. Die Robotersteuer würde seiner Ansicht nach Innovation und Fortschritt behindern. Doch eine Mehrheit der Schweizer ist vielleicht anderer Ansicht, zumindest, wenn man der Vimentis-Umfrage traut: 62 Prozent befürworten eine Robotersteuer. Die Fortschritts-Angst ist verständlich. Doch man kann sie mit Massnahmen wie einer Robotersteuer nicht wirksam bekämpfen. Der Mensch ist grundsätzlich konservativ und will am Bewährten festhalten, insbesondere will er seine Existenzgrundlage nicht verlieren. Es gibt Schätzungen, die davon ausgehen, dass die Digitalisierung in den nächsten Jahrzehnten noch weit mehr Arbeitsplätze fordern wird. Das ist Kaffeesatzleserei, es könnte auch ganz anders kommen. Doch wie auch immer: Wir sollten darauf vertrauen, dass sich die Menschheit bisher jedem Wandel angepasst hat, auch wenn es vorübergehend ungemütlich wurde. Wenn Arbeitsplätze oder ganze Branchen verschwinden, entstehen neue. Es wird neue Bedürfnisse und neue Arten von Dienstleistungen geben. Berufe, von denen wir noch nichts wissen, werden entstehen. Wir sollten auf die Innovationskraft nicht nur der Ingenieure, sondern der ganzen Gesellschaft vertrauen. Wichtig vielleicht: Je höher Bildungsgrad und Einkommen, desto kleiner ist laut der Vimentis-Umfrage die Angst vor dem digitalen Fortschritt. Je besser jemand ausgebildet ist, desto besser ist er gerüstet für alle Eventualitäten des Lebens.

Das unterstreicht die Wichtigkeit der Bildung - in einem umfassenden Sinn. Heranwachsende sollen sich nicht nur Sachwissen aneignen, sondern viel wichtiger: Freude am Lernen und am Leben, Neugierde und das Selbstbewusstsein, auch Unvorhergesehenes meistern zu können.


Claudia Blumer,
16.2.2018, 117. Jahrgang, Nr. 47.

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