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«Wandzeitung» vom 28.4.2018:

50 Tage sind’s zwischen Ostern und Pfingsten:

Ostern hat eine lange „Nachspielzeit“.

Wenn dieser Artikel erscheint, liegen wir gemäss Kirchenjahr noch mitten in der Osterzeit. Denn der an Ostern gefeierte Sieg des Lebens darf zeitlich noch lange nachklingen – bis Pfingsten. So benütze ich diese österliche „Nachspielzeit“ zu ein paar österlichen Gedanken.

In München fragt mich ein junger gläubiger Moslem aus Indonesien, welche Bedeutung das christliche Osterfest für uns habe. Ich antworte mit zwei Sätzen. Erstens: „Das Leben ist ein gutes Geschenk.“ Und zweitens: „Die Liebe ist stärker als der Tod.“ „Das glaube ich aber auch,“ sagt er darauf. Ich erwidere: „Ja, die ‚Osterhoffnung‘ ist weiter verbreitet als das Christentum, sie gehört vielleicht sogar zum menschlichen Urvertrauen. Wir Christen machen diese Hoffnung fest am Schicksal von Jesus, ihr wahrscheinlich am Koran, andere am ihrer Herzensstimme.“

Tatsächlich setzt der christliche Osterglauben eine innere Öffnung dafür, eine Art Erwartung, eine Grundausrichtung voraus. Der will ich noch etwas nachspüren. Der kürzlich verstorbene Berner Dichter und Pfarrer Kurt Marti schreibt hochbetagt in seinen „Spätsätzen“ (Buchtitel: „Heilige Vergänglichkeit“): „Ist der Wunsch nach ewigem Leben nicht auch ein unbeholfener Dank für unser vergängliches, aber einmalig lebenswertes Leben?“

Wie unbeholfen unser Dank sein mag, lasse ich dahingestellt, aber einmalig lebenswert empfinde ich mein Leben auch. Darum weigert sich etwas in mir anzunehmen, dass diese wundervolle Gabe ein Umweg vom Nichts ins Nichts sein soll. Das Wertvolle des Geschenkes Leben trägt doch die Verheissung der Vollendung – nicht der Vernichtung – in sich.

Bei Taufbesuchen sage ich den Eltern eines neugeborenen Kindes jeweils etwas provokativ: „Gälled Sie, Ihres Chind isch es Wunder!“ Noch nie hat ein Elternpaar widersprochen. Das Kind, das Mutter und Vater bekommen, nicht gemacht haben, ist kein hochorganisierter Zellhaufen, sondern ein Wunder.

Die Augen der Liebe sehen in einem Menschen nie ein „vertikales Schwein“ oder eine Abart von Affe (was wir biologisch sind), sondern eine mit unantastbarer Würde ausgestattete Person, die – nicht nur hormonell bedingt – unbedingt liebenswert ist. Wenn der Erkenntnisweg der Liebe aber eine tatsächliche Realität erfasst, die naturwissenschaftlich nicht messbar ist, dann besteht diese Realität in so etwas wie dem absoluten, ewigen Wert, den wir Erdlinge in uns tragen.

Zehn Tage vor Ostern hat sich ein französischer Polizist in einem Supermarkt in Carcassonne für eine Geisel freiwillig austauschen lassen und ist erschossen worden. Der Staat feiert das als Heldentat. Aber stellt eine solch „heroische“ Lebenshingabe nicht einen Schrei nach einer höheren Wirklichkeit dar?

Darf angesichts dieses Opfers – und aller Opfer in der Weltgeschichte – unsere Wirklichkeit die letzte sein? Dieser Appell geht weit über die Vernunft hinaus und manifestiert sich in der ganzen Breite der Menschheitsfamilie als universal anzutreffende Hoffnung.

Zur geschichtlichen Begründung dieser Hoffnung feiern Christinnen und Christen Ostern. Und verlängern das Fest um 50 Tage. Zu Recht!


Hugo Gehring,
28.4.2018, 117. Jahrgang, Nr. 118.

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