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«Wandzeitung» vom 27.3.2018:

Die No-Billag-Initiative:

Ein Problem. Eine Erklärung.

An einer Tagung der Städteinitiative Sozialpolitik im Spätsommer in Montreux sagte ein Kollege aus der Romandie zu neuartigen Phänomenen, mit denen wir im Sozialbereich immer wieder konfrontiert sind: „Man hat ein Problem. Erwartet von uns eine Erklärung. Und hätte am liebsten auch noch einen Schuldigen“. Ganz ähnlich ist die Situation nach den Wahlen in Zürich, Winterthur und den Städten im Limmattal. Es ist eingetroffen, was niemand erwartet hat. Die Linke hat klar zugelegt, allen voran die SP. Da von NZZ über den Tagi bis zum Landboten aber vor den Wahlen sinngemäss nachzulesen war, dass eben genau diese SP im Wahlkampf alles falsch gemacht habe, stand man bezüglich der Wahlanalyse vor einem ernsthaften Problem. Suchte nach einer Erklärung. Und fand einen „Schuldigen“: Die No-Billag-Initiative.

Diese Initiative habe derart mobilisiert, dass Linke überdurchschnittlich zur Wahl gegangen seien. Das mag ein Faktor gewesen sein. Als Alleinerklärung taugt er aber nicht. Schon am Wahltag wurde in den sozialen Medien diese Wirkung relativiert: Offenbar habe die SP bei den eidgenössischen Wahlen in der Stadt Zürich absolut mehr Stimmen gemacht als am 4. März (habe ich nicht verifiziert). Vergleicht man die absoluten Zahlen der Winterthurer Stadtratswahlen 2018 mit jenen von 2014, legten in absoluten Zahlen die beiden SP-Wiederkandidierenden 18 und 20 Prozent an Stimmen zu, während die vier bürgerlichen Kandidierenden zwischen 9 und 22 Prozent weniger Stimmen erhielten. Eine derart massive Verschiebung bringt mit sich, dass viele Leute schlicht anders gewählt haben als vor vier Jahren.

Ein Erklärungsansatz dafür: Die Linke habe ihre vier Kandidierenden konsequent aufgeschrieben bei den Stadtratswahlen. Während die Bürgerlichen zufrieden waren mit dem Status quo und alle sieben Bisherigen aufgeschrieben haben. Das mag in gewissem Masse zugetroffen haben und korrespondiert auch mit Rückmeldungen, die ich erhalten habe. Es taugt aber nicht als Erklärung. Denn die Konsequenz wäre – grob vereinfacht: Die Linken haben vier Personen auf den Wahlzettel geschrieben, die Bürgerlichen sieben. Die Realität sieht aber anders aus: Im Durchschnitt hatte es auf einem Stadtratswahlzettel zwischen vier und fünf Namen. Zählt man noch die Vereinzelten ab, landen wir bei durchschnittlich gerade mal 3,9 „offiziellen“ Kandidaten pro Wahlzettel. Es gibt also auch hier keine einfachen Wahlmuster.

Zusammengefasst: Eine monokausale Erklärung für das Wahlresultat gibt es nicht. Es wird ein Mix aus vielen Faktoren sein. Klar scheint aber, dies zumindest als Momentaufnahme des 4. März 2018: Die Menschen im Kanton Zürich haben sich klar für eine linkere Politik und die entsprechenden Inhalte entschieden. In Zürich, in Winterthur, in Dietikon und in Schlieren. Stellt sich die Frage, nach dem „warum“: Die hat ein Zürcher Kollege am Wahlabend so beantwortet:

„Ich wurde seit 12 Jahren nach jeder Wahl gefragt, weshalb die SP verloren habe. Ich musste sagen: Ich weiss es nicht. Und nun wurden diese Ergebnisse in einer Wahl praktisch gekehrt. Und ich habe auch dafür keine Erklärung“.


Nicolas Galladé,
27.3.2018, 117. Jahrgang, Nr. 86.

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