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«Wandzeitung» vom 27.7.2018:

Freitagabend, 19 Uhr, die Sommerferien stehen bevor:

Glarner ist mir wurscht.

Freitagabend, 19 Uhr, die Sommerferien stehen bevor. Fast alles abgearbeitet. Ein seltener Moment. Dennoch bin ich immer noch da. Im Büro. Ratlos. Zwischen mir und den Sommerferien ist nur noch diese Wandzeitungskolumne. Seit einer halben Stunde surfe ich unproduktiv im Netz. Doch da kommt keine Erleuchtung. Keine zündende Idee. Kein lucky Click. Da kommt gar nix. Sitzend k.o.

Während mir sonst mit akutem Termindruck im Nacken – genauer: Dienstags kurz vor 12 Uhr – immer irgendetwas (manchmal mehr, häufig auch weniger Gelungenes) von den Fingern geht, fühle ich mich wie blockiert. Fast leer. Muss wohl daran liegen, dass es nicht Dienstag vor High Noon ist. Sondern Freitag vor Nirgendwas. Und sowieso. Die Luft scheint draussen: Die Fussball-WM ist vorbei. Bei Trump fehlen mir mittlerweile die Worte. Der Umgang europäischer Länder mit der Flüchtlingssituation im Mittelmeer macht mich sprachlos. Und selbst Andreas Glarners Blödheit ist mir wurscht. Sind doch alle reif für die Insel. Jetzt geht’s mir wie den Medienschaffenden in der Sauregurkenzeit. Die meldeten sich kürzlich. Radio X habe vor ein paar Tagen ein paar Leute in der Marktgasse gesehen. Beim Koran verteilen. Aha. Was man dazu sage. Ja, was soll man denn dazu sagen? Sind ja offenbar nicht mehr hier. Stimmt, man wisse nicht, wer es sei. Aber ob man trotzdem etwas zu den Leuten sagen könne… Das Sommerloch scheint dieses Jahr besonders gross zu sein. In den Zeitungsspalten. In Funk und Fernsehen. Und in den Köpfen.

Das ging ja irgendwie schon viel früher los, in diesem Sommer. Statt über Fussball berichtet wurde während der WM die hysterische Doppeladler-Debatte lanciert. Als dann die Schweiz draussen war, wurde nachgedoppelt: Doppelpass. Allerdings nicht in der Variante, in der sich zwei Mitspieler auf dem grünen Rasen mehrfach den Ball zuspielen. Sondern in Form einer Schnapsidee eines Fussball-Funktionärs. Das tiefer liegende Problem ist dabei weniger Sportfunktionär Miescher. Sondern dass ihm die beiden bedeutendsten Deutschschweizer Tageszeitungen in einem Doppelinterview [sic] so viel Platz einräumten. Und sich nicht zu blöd waren, damit diesen Rohrkrepierer zu lancieren und einen Hype auszulösen. Das klassische Andreas-Glarner-Syndrom. Man mag von dem ja halten, was man will. Aber eines ist er sicher nicht: relevant. Dass dennoch jeder seiner Tweets und Rülpser medial aufgenommen wird, sagt weniger über ihn als vielmehr etwas über den Zustand der Medien aus.

Es wäre mutig und ehrlich, einfach mal Irrelevantes irrelevant sein zu lassen. Während der Sauregurkenzeit. Und gerne auch während der Süssegurkenzeit. Vielleicht kann man auch mal die Sendegefässe kürzen. Oder diese mit dem füllen, was ist. Mit Langeweile. Und die auch so zu Papier bringen. Den Leuten vermitteln, dass jetzt grad nicht so viel los ist. Das sie mal runterfahren und abschalten können. Täte sicherlich allen gut: Den Trumps. Den Seehofers. Den Salvinis. Den Glarners. Den Mieschers. Und auch mir. Ich bin dann mal weg.

 


Nicolas Galladé,
27.7.2018, 117. Jahrgang, Nr. 208.

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