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«Wandzeitung» vom 17.9.2014:

Nicht das Alter ist das Problem, sondern die Gesellschaft:

Klartext.

Ab 40 sei man in unserer Gesellschaft unsichtbar, sagte mir letztlich eine Freundin. Vielleicht etwas überspitzt formuliert, aber sie hat wohl recht. Ich kann mich noch erinnern, wie ich mit 18, mit 25 fühlte: Mir standen Türen weit offen, ich war begehrt auf dem Arbeitsmarkt, der damals natürlich auch viel entspannter war als heute, und man begegnete mir fast durchs Band wohlwollend.

Nun bin ich älter, über 40, und erwarte noch Schönes in meinem Leben. Die südländische Mentalität habe ich noch nie so gut verstanden wie heute: Man lebt heute und was morgen ist, weiss man nicht. Deshalb soll man sich heute an Dingen erfreuen, Feste feiern, wie sie fallen, und lieber einmal mehr als einmal weniger lachen.

Bei dieser Lebenshaltung zu spüren, dass die Gesellschaft ein unsichtbares Korsett um einen legt, löst keine guten Gefühle aus. Männer seien zwischen 40 und 50 Jahren «im besten Alter», sagt man. Frauen hingegen nicht mehr in ihrer Lebensblüte. Clichées werden zementiert. Kaum jemand schreibt, dass auch Männer eine menopausale Phase durchmachen können. Man wahrt das Bild des attraktiven Mannes mit grau meliertem Haar. In der Reife liegt die Würze.

Über Frauen im gleichen Alter wird selten so gesprochen. Und Frauen in Machtpositionen wird oft mit einem gewissen Argwohn begegnet, selten mit Achtung oder Bewunderung. It's a man's world, dies sagte auch Suzanne Klee, die Schweizer Musikerin, in einer diesjährigen Ausgabe der Zeitlupe. Das habe sie im Laufe ihrer Karriere immer wieder erfahren.

Auch bei uns in der Schweiz werden Frauen und Männer in derselben Funktion nicht immer gleich entlöhnt. Ein Skandal. Aber ändern tut sich trotzdem nichts. Und ich behaupte, dass heutzutage tendenziell weiterhin mehr Männer gefördert werden als Frauen. Obwohl in vielen Fällen die Frau bessere Qualifikationen mitbringt beziehungsweise bessere Charaktereigenschaften hat als der Mann.

Noch immer werden Frauen in Kriegen instrumentalisiert und zu Opfern gemacht. Die Isis-Terroristen fordern Sex-Sklavinnen, am liebsten Mädchen. Was für eine Ironie: In der ägyptischen Mythologie ist Isis eine Göttin. Auch bei uns werden Frauen instrumentalisiert, auch bei uns geht es um Sex. Auf Werbeplakaten sind viel öfter halbnackte Frauenkörper zu sehen als halbnackte Männerkörper. Traurig, dass sich junge Frauen instrumentalisieren lassen. Manche sagen, heute verstehe man unter Emanzipation etwas anderes: Die Frauen bestimmen selber, was sie zeigen. Dabei geht es den meisten jungen Frauen nur darum zu gefallen. Sich bestätigt zu fühlen. Eine gewisse Macht über Männer zu haben.

In meiner Jugend, als mir sämtliche Türen offen standen und mir wohlwollend begegnet wurde, glaubte ich an die Gleichberechtigung. Ich dachte, alles andere sei Vergangenheit. Heute erfahre ich die Realität, und die ist alles andere als lebensbejahend und lebensfroh. Das Älterwerden ist wirklich kein Problem, solange man gesund ist. Das Problem ist wie schon gesagt das von der Gesellschaft auferlegte Korsett.

 

 

 


Rosmarie Schoop,
17.9.2014, 113. Jahrgang, Nr. 104.

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