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«Wandzeitung» vom 22.3.2018:

Die Schweiz hat endlich wieder eine neue Miss:

Jastina Doreen Riederer, bzw: Rapunzel.

Die Schweiz hat endlich wieder eine neue Miss: Jastina Doreen Riederer. Spitzname: Rapunzel, Lieblingsnascherei: Nutella, Lebensziel: Auf der Victoria's Secret-Modenschau mitzulaufen. Obwohl ich froh bin, dass das öffentliche Interesse an eidgenössischen Miss-Wahlen abzunehmen scheint, ist es doch bei der Miss Schweiz-Wahl ein bisschen wie beim Bachelor: Um in der Kaffeepause im Büro mitreden zu können, muss man zumindest indirekt, also über die Berichterstattung, daran teilnehmen. Man darf das Ganze aber bloss ironisch und aus rein gesellschaftskritischer Perspektive betrachten. Um den kulturellen Untergang des christlichen Abendlandes zu verurteilen, muss man miterleben, wie dieser von statten geht. Soweit, so klar.

Nicht ganz so klar sehen Anforderungen ans Individuum in anderen Lebensbereichen aus. Überall muss man sich durch seine Meinungen und sein Handeln positionieren, was aufgrund von Freiheiten und grenzenloser Individualität schwierig ist. Klar, in gewissen Dingen muss man sich den volkseigenen Vorstellungen ohne Wenn und Aber fügen, das ist heute nicht anders als früher. Wenn man als Frau seine Achseln nicht rasiert, ist man unhygienisch oder Hardcore-Feministin. Wenn man als Mann einen Rock trägt, ist man schwul (oder Schotte).

Und wenn man seine Batterien in den Müll schmeisst, ist man der Antichrist. Apropos Christ: auch hier wird die Sache immer komplizierter: Nicht nur, dass die Auswahl an Religionen beinahe unbeschränkt ist, es sind auch völlig chaotische Vermischungen möglich, welche die Übersicht erschweren. Ausserdem werden nicht-transzendentale Einstellungen so übersteigert, dass sie durchaus religiösen Charakter haben. Ein gutes Beispiel hierfür sind missionarische Ernährungsexperten oder SVP-Hardliner.

Die einen himmeln Quinoa an, die anderen die Familie Blocher. Die einen hassen Gluten, die anderen Kosovaren. Was hier vereinend und beruhigend wirkt, ist Ablehnung, welche aus verschiedenen tiefsitzenden Ängsten herrührt. Sei es die Angst vor dem Tod, welcher durch jedes ungesunde Brösmeli näher zu rücken scheint, oder die Angst davor, seines Wohlstandes und seiner Sicherheit beraubt zu werden, für die zumindest die eigenen Vorfahren einmal gekämpft haben könnten.

Unsicherheit in fast sämtlichen moralisch-ethischen Bereichen fordert viel vom Individuum. Wir müssen uns irgendwo festhalten, uns dafür eigene Wertvorstellungen zusammenzimmern oder die verstaubten, aber soliden Vorstellungen vorheriger Generationen aus dem Estrich holen und ihnen einen neuen, zeitgemässen Anstrich verpassen. Aber wie sieht ein solcher Anstrich aus? Woraus zimmern wir unsere Werte zusammen?

Wäre es nicht angenehmer, sich hinter Instagram-Posts und einem Colgate Zahnweiss-Lächeln zu verstecken? Die kichernde Antwort der schönsten Schweizerin auf die Frage, was sie den Kritikern, welche die Miss Schweiz-Wahl im Angesicht der #MeToo-Debatte als nicht mehr zeitgemäss empfinden, sagen wolle, scheint irgendwie Ausdruck einer solchen innerlichen Debatte zu sein:

"Ich bin so aufgeregt, dass ich die Krone gewonnen habe, ich kann noch gar nicht überlegen."


Anita Hofer,
22.3.2018, 117. Jahrgang, Nr. 81.

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