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«Wandzeitung» vom 22.7.2018:

Zeit für ein Geständnis:

Be kind. Always.

Zeit für ein Geständnis: Egal, wie gerne ich zynische Bemerkungen und sarkastisches Augenrollen liebe und beide Aktivitäten mit Passion mehrmals täglich mit Perfektion verrichte, will ich grundsätzlich ein guter Mensch sein. Den Entschluss, oben stehenden Leitsatz zu meiner Lebensphilosophie zu machen, fasste ich erst so richtig vor etwa einem Jahr. Und dies, weil mir zum ersten Mal vollumfänglich klar wurde, wie idiotisch ich mich zuvor manchmal aufgeführt hatte. Irgendwann in der dunklen Zeit, als meine pubertäre rebellische Phase auf ihrem Höhepunkt war, hatte ich nämlich beschlossen, dass es total cool war, gemein zu anderen zu sein. Dass ich mit meinen Kommentaren nicht nur andere verletzte, sondern damit auch lediglich meine eigene Unsicherheit zu überspielen versuchte, fiel mir damals natürlich nicht ein. Natürlich überwand ich diese Phase genau wie alle Teenager auch, doch Reste von diesem Verhalten blitzten in meinen schlechtesten Momenten auch später noch auf. Doch mit der neuen Welle von Positivität, die sich im Angesicht der momentanen Weltlage über gewisse Teile von Social Media, Musik und anderen Medien ausbreitete, öffneten sich auch meine Augen in dieser Hinsicht. Als mein Bruder von den fiesen Sprüchen erzählte, die er und seine Schulkameraden sich ständig entgegenwerfen, ertappte ich mich dabei, wie ich ihn an die Lektion erinnerte, die meine Mutter uns immer lehrte, nämlich andere so zu behandeln, wie man selber behandelt werden will. Doch meine Worte hinterliessen den bitteren Nachgeschmack von Scham, denn plötzlich wurde mir klar, dass ich genauso gemein sein konnte. Kurze Zeit später hing ich das Motto über meinem Bett auf und es erinnerte mich damit täglich beim Aufstehen daran, auf jegliche Worte oder Situationen mit Freundlichkeit zu reagieren und den Aufwand einer netten Geste nicht zu scheuen. Letzteres fiel mir weniger schwer, denn es gefällt mir, Leute beispielsweise mit selbstgebackenen Süssigkeiten zu überraschen oder ihnen meine Hilfe bei einem Problem anzubieten. Doch auf schmerzhafte Worte oder geladene Situationen mit Ruhe und Freundlichkeit zu reagieren, ist schon schwerer. An einigen Tagen sogar besonders schwer. Doch je länger je mehr erwische ich mich selbst dann dabei, wie ich an mein Motto denke. Ob es nun mein Bruder ist, der mich auf die Palme bringt, oder eine Freundin, deren Verhalten mich enttäuscht, die Worte erscheinen mittlerweile fast immer vor meinem inneren Auge und ich erinnere mich daran, dass wir manchmal einfach nicht über unser Verhalten nachdenken. In jedem blitzt ab und zu wieder einmal das rebellische dreizehnjährige Selbst auf. Wichtig ist nur dass ich mich erinnere, dass mein dreizehnjähriges Ich, das Gemeinheit mit Coolness verwechselte, seltener andere Leute zum Lächeln brachte, als ich es heute tue.


Anita Hofer,
22.7.2018, 117. Jahrgang, Nr. 203.

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