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«Wandzeitung» vom 28.3.2018:

Vielfältigkeit braucht Mut:

Von Raben- und anderen Eltern.

Es war wahrlich keine revolutionäre Idee, die der Kantonsrat am 19. März diskutiert hat. Eine Verdopplung des Vaterschaftsurlaubs von fünf auf zehn Tage. Nach Skandinavien trauen wir ja schon kaum mehr zu schauen. Elternurlaube von 480 Tage, davon werden wir wohl noch lange träumen. Doch wenn es ums Kinderkriegen und Kinderaufziehen geht, scheint die Schweiz besonders konservativ. Das ist Privatsache, nichts über was man öffentlich diskutiert. Und schon gar nichts, bei dem die Öffentlichkeit mitreden könnte. Also finanziell sowieso nicht. Aber lieber auch nicht sonst.

Denn schliesslich wissen die Eltern ja am besten, wie es geht. Da redet man lieber nicht drein. Ausser sie machen es nicht richtig. Und das macht man recht schnell. Denn perfekt ist schwierig, aber perfekt scheint der Massstab in der Erziehung zu sein. Deshalb ist der Vorschlag im Kantonsrat dann auch schnell verworfen worden. Genauso wie eine ähnliche Idee bereits früher auf nationaler Ebene. Schliesslich ist die Betreuung kleiner Kinder ja nicht wahnsinnig aufwändig, leisten kann man sich das im Wirtschaftsmotor der Schweiz ja auf keinen Fall und ausserdem … die Kinder werden dann ja sowieso gleich in die Krippe abgeschoben. Und dann stellt sich ja schon die Frage, warum man überhaupt erst Kinder macht.

Privatprojekt Kind – das scheint ein besonders beliebtes Bild in der Schweiz zu sein. Begründet häufig mit Traditionen. Doch, wie traditionell ist das wirklich? Es ist noch nicht lange her, da lebte man auch in der Schweiz in Grossfamilien. Die Erziehung war da ein Projekt der ganzen Familie. «Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind aufzuziehen», lautet ein viel zitiertes afrikanisches Sprichwort. Denn Kinder brauchen zwar stabile Beziehungen zu engen Bezugspersonen. Aber sie brauchen auch neue Erfahrungen. Und die machen sie nicht unbedingt im altbekannten Umfeld. Und Eltern brauchen Entlastung. Die Erziehung auf maximal zwei Paar Schultern, das geht auf Dauer nicht gut, das überfordert Eltern und Kinder.

Der Vaterschaftsurlaub würde die Strukturen der Kleinfamilien nicht durchbrechen. Aber wenn Väter und Mütter sich von Anfang an stärker in die Erziehung der Kinder einbringen können, verändert das Modelle und Vorstellungen von Erziehung und Verantwortung. Der Vaterschaftsurlaub ist daher nicht nur ein Schritt zu einer stärkeren Beteiligung der Väter in der Erziehung von Geburt an. Es ist auch ein Schritt zu vielfältigeren Familienbildern. Vielfältigkeit braucht Mut, und genau dieser Mut scheint der Kantonsratsmehrheit am 19. März gefehlt zu haben.


Maria Sorgo,
28.3.2018, 117. Jahrgang, Nr. 87.

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