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«Wandzeitung» vom 2.4.2018:

Alltägliches?

Übergriffe!

Zu Fuss unterwegs durch die Nacht. Ich laufe selbstbewusst aufrecht, sicheren Schrittes. Trotzdem bremst ein Velo auf meiner Höhe: „Komm mit mir, ich hab ein Zimmer ganz in der Nähe.“ – „Wie bitte!?“ frage ich fassungslos. Der Mann fährt nun Schritttempo neben mir. Stellt dieselbe Forderung nochmals. Ich erhebe meine Hand, trete aufs Fahhrad zu, drohe: „Wenn du nicht sofort abhaust…“ Er lässt von mir ab, verschwindet in der Dunkelheit. Ich war entschlossen, hätte ihn umgeworfen mit seinem Stahlesel. Anhand seines Migrationshintergrunds ist er einsam. Muss ich es mir trotzdem gefallen lassen?

Im Zug, draussen auf der Sitzbank. Ein Mann hinter meinem Rücken, neben der Tür stehend. Bilde ich mir ein, dass sich seitlich seine Hand zu meinem Hintern schiebt? Das kann sicher nicht sein, oder? Nochmals, dasselbe Gefühl. Ich senke langsam meinen Blick abwärts, äuge zur Seite. Tatsächlich; seine Hand! Blitzschnell stehe ich vor ihm, mit glasigem Blick hat er mir grinsend den Weg versperrt, will nach mir greifen. Ich baue mich auf, schreie ihn an: „Wage es nicht!“ Erschrocken geht er zur Seite und ich stürze ins Abteil, lass mich mit Herzflattern auf den erstbesten Sitz nieder.

Frisch: Roush hour. Eine Freundin und ich on the road. Über Land halten wir an einer Tanke. Nach dem Auffüllen sitzen wir im Wagen, sie versorgt gerade ihren Geldbeutel. Da fährt ein Wagen Nahe auf und hupt. Wir schauen in den Rückspiegel. Der Fahrer steigt wütend aus, schüttelt die Fäuste und wettert gegen unseren PW. Ob wir im Wartsaal seien oder ähnlich. Er kommt auf uns zu und schimpft weiter, dann schlägt er mit der Faust aufs Auto und schreit, wir sollten abfahren! Sie hat sofort die Zentralverriegelung betätigt, nimmt ihr Handy und macht ein Foto von dem Kerl. Der rastet noch mehr aus, brüllt, sie solle aussteigen, er warte auf sie. Dann hüpft er wutentbrannt in seinen Wagen, dreht ab, rund um die Zapfsäule. Sie sagt: "Bravo!" und kann so ein Bild von der Autonummer machen. Er hält dann sozusagen neben uns. Sie verfolgt ihn mit der Handykamera. Er tobt, "Du blöde Kuh!", ob sie noch mehr Fotos wolle und kommt wieder drohend auf uns zu. Sie dreht den Schlüssel und fährt langsam weg. Er schreit weiter hinter uns her. Leider war es eine unbemannte Tankstelle. Erstatten wir Anzeige, hat der Typ unsere Adresse dann. Die Gesetzeslage ist einfach, wir haben nicht viel. Von einem anderen Fall weiss ich nun, dass ich jemanden 10 Mal täglich anrufen kann, ohne dass sich der belästigt nennen darf.

Auf dem Heimweg fährt uns ein anderes Auto im Dunkeln auf und Licht-hupt, obwohl wir in einer Reihe mit anderen PWs fahren. Sie schwenkt rechts weg, um den Rowdy vorbei zu lassen. Er kommt nicht schneller vorwärts, zwei Wagen vor uns fährt ein Bus.

Mein Selbsterhaltungstrieb ist geschärft. Die Frage nach der Angreifbarkeit ist unnütz; ist es meine Ausstrahlung, die zierliche Figur, mein Geschlecht. Gewaltgeschichten hat jeder zu erzählen. Die heile Welt, wie sie in unserer Phantasie existiert, wird durch uns Menschen selbst gestört. Dem Dunkeln mit Licht entgegen treten. Etwas mehr Liebe wäre gut …


Momo Appenzeller,
2.4.2018, 117. Jahrgang, Nr. 92.

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