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«Wandzeitung» vom 29.4.2018:

Zur Jugendkriminalität im Kanton Zürich:

Gewalt bei Jugendlichen wieder cool?

Nach Jahren des Rückgangs der Jugendkriminalität vermeldete das Bundesamt für Statistik im Frühjahr erstmals schweizweit wieder einen Anstieg. Auch im Kanton Zürich nahm die Anzahl an beschuldigten Jugendlichen im vergangenen Jahr leicht zu, wobei die Zahl der Gewaltstraftaten zum zweiten Mal in Folge gestiegen ist. Zwar hat sich die registrierte Jugendgewalt im Vergleich zum Höchststand 2009 halbiert, trotzdem stellt sich die Frage: Ist die Jugendgewalt wieder auf dem Vormarsch, gewalttätiges Verhalten bei Jugendlichen wieder in? Werden Jugendliche im Kanton Zürich eines Gewaltdelikts – dazu gehören beispielsweise Tätlichkeiten, Drohungen, aber auch Raub sowie einfache und schwere Körperverletzung – beschuldigt, sind sie meist männlich und mit 15,6 Jahren noch relativ jung. 45 Prozent der Jugendlichen sind Einzeltäter, jede zweite Gewaltstraftat wird in einer Gruppe von mehr als drei Personen begangen. Jeder zweite Beschuldigte weist keinerlei Vorstrafen auf, er ist bis anhin deliktisch völlig unauffällig. Von klassischen, jugendlichen Gewaltstraftätern zu sprechen, wäre denn auch verfehlt; nur jeder zehnte Jugendliche weist eine Vorstrafe wegen eines Gewaltdelikts auf. Handelt es sich bei der Mehrzahl der Gewaltdelikte somit um einen einmaligen Ausrutscher? Oder kündigt sich mit der ersten Gewaltstraftat nicht vielmehr eine unheilvolle Entwicklung an? Wer sich einmal wegen eines Delikts vor der Jugendanwaltschaft verantworten muss, schlägt nicht automatisch eine kriminelle Karriere ein; die Mehrzahl der Jugendlichen gerät glücklicherweise nur einmal mit dem Gesetz in Konflikt. Zugleich zeigt sich aber, dass vorbestrafte Jugendliche durchschnittlich mehr Delikte und auch mehr Gewaltstraftaten begehen als unbescholtene. Dies gilt insbesondere für Minderjährige, die bereits einmal wegen eines Gewaltdelikts verurteilt wurden. Es gilt daher, die Gewaltspirale frühzeitig zu durchbrechen, bevor die Jugendlichen zunehmend enthemmter und gewaltbereiter agieren. Um Gewaltstraftaten von Minderjährigen – und insbesondere auch von Ersttätern – zu verhindern, braucht es präventive Bestrebungen der Zivilgesellschaft. Hier sind wir alle gefordert – Eltern, Schulen, Freizeitvereine aber auch Behörden. Die Reaktion auf den Anstieg der Jugendgewalt vor etwas mehr als zehn Jahren, die vereinten Bemühungen von Polizei, Schulen, Zivil- und Justizbehörden aber auch der Bevölkerung diesem Trend Einhalt zu gebieten, haben gezeigt, dass präventive Aktivitäten durchaus fruchten und eine Negativentwicklung positiv beeinflussen können. So dürften der öffentliche Diskurs sowie die allgemeine Ächtung der Gewalt mit zum Rückgang der schweren Jugendgewalt beigetragen haben. Die Frage, ob gewalttätiges Verhalten von Jugendlichen wieder als normal, vielleicht sogar als cool erachtet wird, lässt sich im Moment nur schwer beantworten. Es muss uns gelingen, die Jugendlichen mittels präventiven Massnahmen, wie sie beispielsweise bereits heute an Schule existieren, frühzeitig zu erreichen. Eine skandalorientierte Diskussion rund ums Thema Jugendgewalt wäre sicherlich der falsche Weg. Vielmehr müssen wir uns kontinuierlich und sachlich mit dem Thema befassen – unabhängig davon, ob nun die Zahlen steigen oder rückläufig sind.

 


Marcel Riesen-Kupper,
29.4.2018, 117. Jahrgang, Nr. 119.

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