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«Wandzeitung» vom 13.5.2018:

Echo der Zeitenwende:

Vorwürfe halte ich für unsinnig.

Die im Titel vollzogene Verballhornung des „Flaggschiffs des Deutschschweizer Radios“ soll nicht despektierlich, sondern als Hommage verstanden werden. Im Titel enthalten ist aber auch der Name eines (einst?) renommierten Deutschen Musikpreises. Und die Zeitenwende im, insbesondere auch medialen, Umgang mit jenem beschliesst meinen Titel und eröffnet meine These: „Aufgeklärter Journalismus weicht aufgeregtem Moralismus.“

Als die Band Frei, wild für den Echo nominiert wurde, war der Aufschrei gross. Es handelt sich um eine Deutschrock Band aus Italien, beheimatet im Südtirol und es wurde eine Nähe zum Rechtsextremismus diagnostiziert. Diese Vorwürfe halte ich für unsinnig, die Ermittlungsbehörden ebenso, es liegen keine Verstösse gegen irgendein Strafrecht vor. Dies alles ist Jahre her, doch die mediale Aufarbeitung blieb leider aus. Bis es zum diesjährigen Echo abermals eskalieren konnte, doch dieses Mal betrifft es ein Genre, was mich überhaupt nicht interessiert und Künstler, welche ich nicht mal kannte. Kurzversion: „Kollegah und Farid Bang“ wurden mit dem Echo ausgezeichnet. Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden sie durch antisemitische Zeilen in ihren Texten. Medien, Politik, Kulturschaffende, alle waren sie maximal empört.

Nun sollten Kollegah und Farid Bang in Schaffhausen ein Konzert spielen. Nach massivem Druck durch Politik und Bürger, wurde dieses abgesagt. Ich hätte, ohne dem aufgeregten Moralismus der Medien, noch nie was von den „Künstlern“ gehört, doch so schafften sie es, dass ich ihnen, weit nach Mitternacht, diese Zeilen widme.

Wie nun aber umgehen mit Kollegah, Farid Bang und grundsätzlich allem was gegen den eigenen Geschmack geht? Aushalten, ertragen, dulden, also tolerieren. Nicht nihilistisch alles, nein, lediglich im Rahmen des Rechtsstaates. Ich bediene mich bei Wikipedia der technischen Definition von „Toleranz“ zur Veranschaulichung: „Die Toleranz bezeichnet den Zustand eines Systems, in dem eine von einer störenden Einwirkung verursachte Abweichung vom Normalzustand (noch) keine Gegenregulierung oder Gegenmaßnahme notwendig macht oder zur Folge hat.“

Was nicht mehr tolerierbar ist, definieren keine empörten Medien, Politiker oder Bürger, sondern einzig und allein die Gerichte, anhand der vom Volk gegebenen Verfassung. Alles andere ist eine Überhöhung von Partikularinteressen. Natürlich darf man die Texte scheisse finden und lautstark dagegen Demonstrieren, wir sollten menschenverachtende Texte sogar scheisse finden und ständig, argumentativ, dagegenhalten. Doch, solange keine Verurteilung vorliegt*, muss die Kunst-, Presse-, Meinungs- und grundsätzlich die Freiheit per se, gewährleistet werden. Also auch ein scheiss Konzert ist zu tolerieren, oder sollte alles abgesagt werden, was nicht dem persönlichen Geschmack entspricht?

Wider die Zeitenwende und auf einen aufgeklärten Umgang mit unaufgeklärtem Gedankengut.

*Verfahren wurde eröffnet, es gilt die Unschuldsvermutung."


Roman Kurtz,
13.5.2018, 117. Jahrgang, Nr. 133.

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