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Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
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«Wandzeitung» vom 16.9.2014:

EIN SATZ:

«Dieser Zeitung.»

Dieser gehört in den Giftschrank. Mein Deutschlehrer – als ich in der Stunde schlief.

Damals in grauer Vorzeit, als man mich in vergeblichem Wohlwollen zur Schule schickte, ärgerte ich mich masslos über den zitierten Deutschlehrer. Ich ärgerte mich auch masslos über alle andern Lehrer. Und überhaupt. Schliesslich hinderte mich die Schule daran, das zu tun, was ich viel lieber getan hätte: zu hängen oder – wie man heute sagen würde – zu chillen. Erst viel später merkte ich, dass sich meine Lehrer noch viel massloser über mich ärgerten. Die einen brachte ich fast ins Grab oder wenigstens ein paar Jahre früher dahin, als wenn sie mich nicht als ihren Schüler gehabt hätten. Das kam so: Ich war meist innerlich abwesend und nur dann präsent, wenn es zu einem Diktum, das ich bruchstückhaft aufschnappte, eine unpassende Pointe zu setzen galt, die ich in Form eines Zwischenrufs in den Unterricht einbrachte. Diese Zwischenrufe hielt ich für genial, welche Einschätzung sich auf meine eigene beschränkte. Zwar erntete ich von den Mitschülern Applaus, dieser galt allerdings nicht dem Inhalt, sondern dem Umstand, dass die Unterbrechung bei der Lehrperson Unwillen hervorrief.

Erst viel später erkannte ich, dass ich es war, der mich selbst fast ins Grab gebracht hätte, weil er wenig wusste und sich besser mit dem einen oder andern Thema – wenn auch ausdrücklich nicht mit allen – vertieft auseinandergesetzt hätte. Bevor ich meine Haare bis zur Glatzköpfigkeit raufte, stellte ich dann glücklicherweise fest, dass alles, was ich durch den Tagschlaf in den Schulstunden zu verdrängen versucht hatte, unbewusst in mein Gehirn gerieselt war und einige Bildungsfurchen mehr als erwartet hinterlassen hatte. So auch der Satz, dass «dieser» in den Giftschrank gehört.

Andern Schreibenden periodisch erscheinender Schriften ist das Glück der unbewussten Stoffaufnahme versagt geblieben. Gerade solchen, die für verschiedene Periodika gleichzeitig schmieren. So lese ich täglich in meinen teuer abonnierten Blättern, dass die Y oder der X gegenüber «dieser Zeitung» erklärt hätten, dass die Redaktion «dieser Zeitung» eine E-Mail erhalten habe etc. Sie werden einwenden, dass aus dem Zusammenhang klar wird, welche Zeitung gemeint ist und dass ich kleinlich und pingelig sei, dass «dieser» in diesem Zusammenhang nicht gelten zu lassen und von Giftschränken zu schwafeln, wo nichts in solche zu sperren sei.

Weit gefehlt: Weder vom auswechselbaren Layout dieser Zeitungen noch von ihrem abgeschriebenen Inhalt her, ist klar, welcher Zeitung das «dieser» zuzuordnen ist. Einzig klar ist, dass der Redaktor zu faul war, «dieser Zeitung» durch den Namen seiner Zeitung zu ersetzen. Oder dazu nicht in der Lage, weil der Name angesichts einer bevorstehenden Verlagsübernahme am andern Tag schon geändert haben mochte.

Übrigens: Ich schreibe auch in einem Monat wieder in dieser Zeitung, in der «dieser» stimmt. Natürlich nur, wenn sie mich noch lässt.


Adrian Ramsauer,
16.9.2014, 113. Jahrgang, Nr. 103.

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Standpunkte:

1.10.2014, 23:52 Uhr.

Der, deswegen sie gefragt wurde schrieb:

Aus dem SMILEY hat das Web drei Fragezeichen gemacht


17.9.2014, 16:53 Uhr.

Guido Blumer. schrieb:

In «Dieser Zeitung» lässt sie Dich sehr gerne schreiben, lieber Adrian, ich habe sie gefragt ...


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