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«Wandzeitung» vom 23.7.2014:

kultur kostet kraft:

applaus, applaus!

musiker haben bekanntlich ihr hobby zum beruf gemacht. musikerinnen erst recht. so können wir getrost darüber hinwegsehen, dass ihre entlöhnung nicht gerade fürstlich ausfällt. sie leben ja schliesslich vom applaus. und dieser wird – weil billig zu haben – laufend ausgedehnt. vorbild sind die unterhaltungssendungen am fernsehen. klatschklatsch «das ist dein applaus!» (sagt nik hartmann). die vom publikum erwartete aktive mitarbeit will gelernt sein.

das zeigt sich schon am anfang. ich erinnere mich an frühere konzerte im stadthaussaal. nachdem jeweils das publikum im stadthaussaal sich eingefunden und gesetzt hatte, begrüsste es den dirigenten bei seinem erscheinen mit einem warmen applaus. neuerdings gibt es bereits die ersten lorbeeren für die aufs podium tretenden orchestermitglieder. aber es ist noch ein zaghaft klägliches klatschen, ein appläuslein, und es versandet bald nach den ersten geigen. entweder richtig oder gar nicht, möchte ich meinen, und die hintern ränge müssen sich doch so als «ferner liefen» vorkommen. könnte wenigstens die reihenfolge ihres eintritts alternieren, damit einmal auch den hörnern die ehre der begrüssung zuteil würde?

dass zwischen den sätzen eines werks nicht geklatscht wird, hat sich unterdessen herumgesprochen, und wer es trotzdem tut, entlarvt sich als ignorant. bleibt die frage: sind wir nun schon beim letzten satz? den unbedarften sei vorsichtiges abwarten anempfohlen.

nach dem letzten stück steigern sich die ovationen und sie werden auch von oben professionell bewirtschaftet. abtritt dirigent und solistin, wieder eintritt der beiden, noch einmal, dann gelangen blumen zur überreichung, dirigent lässt oboen aufstehen, es klopfen die streicher für die solistin auf ihre pulte, die solistin wiederum klatscht dem orchester, der chor stimmt ein, der dirigent applaudiert allen zusammen, die ausführenden dem kundigen publikum … ich habe bisher gemeint, die leute auf der bühne seien ein gemeinsames team, und ich kann das gegenseitige öffentliche schulterklopfen nur schwer verstehen.

war da nicht kürzlich die idee eines applausometers im gespräch? damit könnte dann die qualität einer aufführung korrekt bilanziert werden. ich sehe die möglichkeit eines ratings, ähnlich wie an der fussball-wm: dort erscheint die km-leistung eines einzelnen helden auf der anzeigetafel. vielleicht ergäbe sich für unsere stadt sogar ein gewisses wenn auch minimes einsparungspotential, was ja voll im derzeitigen trend läge.

kaum ein konzert, das am ende auskommt ohne die inflatorische ständing-oveischen. die im letzten langen stück eingetretene ermüdung ist unterdessen weggeklatscht. das kollektiv der zuhörerschaft will nun etwas dafür tun, dass es sich der leistung derer auf dem podium würdig erweist. aber mit der zeit tun mir die hände so sehr weh, dass ich mir nur noch heimlich einen hauswart herbeiwünsche, der das licht löschen möge, damit die sache endlich ein ende hat.

 


alfred vogel,
23.7.2014, 113. jahrgang, nr. 48.

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Standpunkte:

24.7.2014, 11:48 Uhr.

Herbert Danzer schrieb:

Herzlichen Dank für den interessanten Artikel! Es ist freilich zu hoffen, dass Konzertbesucher nicht deshalb klatschen, weil es die Tradition so erheischt, sondern, weil sie wirklich begeistert sind. Negative Rückmeldungen gibt es heutzutage häufig genug, Lob hingegen ist viel seltener als Kritik. Meiner Meinung nach sollte man Applaus also nicht nur im Musikbetrieb spenden, sondern auch im täglichen Leben, in dem wir Wertschätzung ohnehin immer weniger wahrnehmen.


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