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«Wandzeitung» vom 23.8.2014:

deutsch als zweitsprache:

kurdisch - mundart - hochdeutsch.

viel wird über die sprachenfrage debattiert – dialekt oder hochdeutsch oder schriftdeutsch? welche fremdsprache zuerst und ab wann? mir aber geben jene schülerinnen und schüler zu denken, die von anfang an benachteiligt sind, weil sie zu einer fremdsprachigen familie gehören. schon wenn sie in den kindergarten eintreten, haben sie die aufholjagd verloren. integrationsbemühungen sind ja gut und recht, dennoch sind diese kinder bis am ende der volksschule mehrheitlich in der ecke der «schwachen» angelangt. im gymnasium, auch in der sek-a sind die mit fremder muttersprache extrem untervertreten, und dabei soll mir niemand weismachen wollen, sie hätten eine eigene, eine andersgeartete durchschnitts-intelligenzkurve.

die schule und die gesellschaft scheinen bisher noch nicht bemerkt zu haben, dass uns diese schülerinnen und schüler eins voraus haben: sie sind bilingue. sie sprechen, wenn auch vielleicht etwas mangelhaft, unser deutsch (in beiden varietäten) und daneben ihre uns fremde familiensprache – wie «gut» sie diese sprechen, das lässt sich von unserer warte aus nur schwer beurteilen. wäre diese ihre eigene sprache französisch oder englisch, so würden wir diese kinder als hochqualifiziert wahrnehmen und einstufen. aber da es sich um albanisch oder kurdisch oder so etwas ab-wegiges handelt, zu dem wir selber keinen zugang haben, bleibt diese kompetenz unbeachtet.

mir ist eine schülerin, 13-jährig, vor augen, mit der ich wegen einer umstrittenen promotion eine mündliche prüfung durchzuführen hatte. ihre mutter wünschte dabei zu sein und sass hinten auf einem stühlchen. sie verstand, wie ich sogleich bemerkte, kaum ein wort deutsch und unterhielt sich mit ihrer tochter auf spanisch. ich gab dem mädchen eine geschichte zu lesen und liess mir diese nacherzählen, um abzuschätzen, was sie davon verstanden hatte. das ging so recht und schlecht. dann sagte ich: erzähl doch deiner mutter die geschichte auf spanisch. und nun hatte ich ein schlüsselerlebnis: vor mir stand eine andere person. ihre körperhaltung richtete sich auf, sie sprach eloquent, ihre augen leuchteten und ihre stimme bekam klang.

kinder fremder muttersprache sind in unserer schule sprachlich benachteiligt, das ist offensichtlich und unbestritten, und darum erhalten sie denn auch unterstützung. was sie aber viel mehr noch beeinträchtigt in ihrer schulkarriere und ihrem fortkommen, das ist, dass wir einen bedeutenden teil ihrer persönlichkeit nicht zu würdigen imstande sind. dies beeinträchtigt ihr ganzes selbstwertgefühl und damit ihr lernen. wie könnte es die schule anstellen, einem kind serbokroatischer eltern die möglichkeit zu geben, auch in seiner ersten sprache etwas zu leisten und dort etwas zu zeigen, wo es besser ist als die andern? ich habe keine lösung anzubieten. aber so viel weiss ich mit sicherheit: unser land dürfte es sich nicht leisten, einen grossteil seiner schülerschaft mit dieser art der nichtbeachtung sitzen zu lassen.


Alfred Vogel,
23.8.2014, 113. Jahrgang, Nr. 79.

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Standpunkte:

26.8.2014, 20:39 Uhr.

Heiner Dübi schrieb:

«Schüler in der Nichtbeachtung sitzen lassen.» Ich stimme den Gedanken von Alfred zu. Es gibt viele Schweizer Kinder, die in deutscher Sprache das gleiche erleben wie geschildertes Beispiel. Es gibt ein grundsätzliches Problem bei allen Menschen zu beachten. Wir haben ein Schulungsproblem in der Schweiz «erhalten» und die Bildung beginnt entgegen dem Mainstream ihre Entfaltung in der Opposition.


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