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Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
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«Wandzeitung» vom 23.11.2014:

hier und jetzt:

friede sei mit euch.

guido blumer hat in der wandzeitung vom 22. oktober nicht viel anderes gemacht als uns eine liste der derzeitigen kriegerischen konflikte rund um den erdball zu liefern (aus der traum!). seine blosse zusammenstellung hat die dreitausend verfügbaren zeichen aufgebraucht, ohne kommentar. und wir? sich vor augen stellen zu lassen, wie menschen täglich und stündlich gequält und getötet werden, und wie viele … es ist kaum zu ertragen. wegschauen? die medien helfen uns dabei. bereitwillig. sie wissen: mehr als zwei krisenherde aufs mal, es wäre schwer, dafür interesse zu wecken. tschernobyl, was war das doch wieder?

dürfen wir, bei dieser weltlage, zurücklehnen und unsere privilegien geniessen? wenn ich an meinen tag denke: kein wecker. «ni mer stres», wie rené peter sagt. am morgen erwache ich, ausgeschlafen. es folgt das gemächliche ritual, zmorge, lammpot, kabinett. dann was mich anspringt. zwei oder drei projekte, in denen meine kompetenzen gefragt sind. geld: kein thema. die ahv von uns zweien reicht für den bescheidenen alltag und die vorsorge ist da für grössere brocken wie steuern und krankenkasse.

solche privilegien haben auch damit zu tun, dass wir hier seit fast siebzig jahren frieden haben, will sagen: keine kriegerischen handlungen rund um uns. was der völkerbund nach 1920 nicht leisten konnte, weil die «sieger» die zuletzt unterlegenen gedemütigt und abgestraft hatten, wodurch die grauenhafte saat des chauvinistischen nationalismus weiter wucherte, mehr als zuvor, und ungeahnte triebhaftigkeiten weckte und freisetzte, das gelang dann nach dem ende des grossen dreissigjährigen krieges. der marshall-plan, vielleicht aus den lehren des unsäglichen zwischen-«friedens» von versailles, kam zum zug und liess die aufbauhilfe für deutschland und westeuropa anlaufen. ohne sie wäre das friedensprojekt namens europäische union nicht denkbar geworden.

dürfen wir, angesicht der lage auf der welt, zurücklehnen und unsern tag geniessen? wenigstens könnten die politiker es sich leisten, gegenüber bedürftigen und schwächeren grosszügig zu sein. kürzlich war nachzulesen, wie klein das städtische defizit winterthurs ist, wenn wir es an den steuergeschenken der letzten jahre messen.

wenigstens sollten wir nicht schlafen, wenn öffentlich – von den plakatwänden herab – wörter verbreitet werden wie «sozialschmarotzer» und «scheininvalide». und nein, wir wollen uns nicht daran gewöhnen, wenn das wort «gutmensch» abwertend gebraucht wird. der satz «jeder ist sich selbst der nächste» darf keine berechtigung unter uns haben. solches gebietet uns der reine egoismus: denn es geht uns allen besser, wenn es allen gut geht.

wie weit wir für den krieg in der weiten welt etwas können, das ist eine komplizierte frage. der friede unter uns aber ist definitiv unsere sache, hier und jetzt.


Alfred Vogel,
23.11.2014, 113. Jahrgang, Nr. 171.

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