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«Wandzeitung» vom 15.7.2014:

Die Geschichte könnte auch anders erzählt werden:

Steuergeschenke und Sozialausgaben.

Winterthur muss sparen – so der weithin verbreitete Tenor der Stunde. Um die explodierenden Sozialkosten, die steigenden Ausgaben für die Volksschule oder das fehlende Geld aus dem kantonalen Lastenausgleich zu kompensieren, müsse jede und jeder einen «Beitrag leisten» zur Sanierung der aus den Fugen geratenen Stadtfinanzen. Die angekündigten Sparmassnahmen des bürgerlichen Winterthurer Stadtrates für das Jahr 2015 haben es denn auch in sich: Die Stadtangestellten sollen bei gleichbleibender Arbeitslast auf zwei Prozent des Lohnes verzichten, die IV- und AHV-BezügerInnen ohne ihre Gemeindezuschüsse zurechtkommen, die gesamte Bevölkerung drei Prozent mehr Steuern bezahlen.

Der ebenfalls bürgerlich dominierte Gemeinderat seinerseits wittert die Gunst der Stunde, die staatlichen Leistungen von Stadtgärtnerei, Stadttheater oder Stadtbus der Privatwirtschaft zu überlassen. So hat denn auch die Geschichte vom aufgeblähten Staat, der Steuergelder für soziale Wohlfahrt verschleudert, und dem effizienten Markt, auf dem Leistung und Wille zählen, zurzeit Hochkonjunktur. Dabei geht der Staatsabbau Hand in Hand mit Steuergeschenken an Reiche und Unternehmen, die in der aktuellen Debatte zwar verschwiegen werden, aber ein grosses Finanzloch in die Stadtkasse gerissen haben: Hätten die Bürgerlichen die Kapitalsteuer nicht halbiert, die Handänderungssteuer nicht abgeschafft, die Gewinnsteuer nicht reduziert oder die Kinderabzüge, von der in erster Linie reiche Familien profitieren, nicht erhöht, würden heute rund 30 Millionen Franken, 2010: 28,6 Millionen, mehr in der Stadtkasse liegen. Der Clou der Geschichte: Dem Staat werden Mittel entzogen, die ihm dann für die Ausübung seiner Leistungen fehlen. Er wird gezwungen, Leistungen zu kürzen: Streichung Gemeindezuschüsse, Lohnkürzungen und sein Tafelsilber zu privatisieren, um angeblich Kosten zu sparen. Während ein paar Reiche Steuergeschenke erhalten, werden die Stadtangestellten, die Normalverdienenden und die Schwächsten unter uns zur Kasse gebeten. Doch die Geschichte kann auch anders erzählt werden: Es wird die IV-Bezügerin zur Verantwortung gezogen, die mit ihrem bescheidenen Einkommen den kaputten Wintermantel nicht ersetzen kann; der Stadtangestellte, der unter Druck grossartige Arbeit leistet und trotzdem immer weniger im Portemonnaie hat; die Durchschnittsfamilie, die höhere Steuern und höhere Mietpreise in Kauf nehmen muss. Anstatt Staatsabbau und Steuergeschenke wollen wir Service Public und Solidarität. Das bedeutet einerseits, dass Soziallasten, die auch Folgen einer zunehmend ungleicheren Gesellschaft sind, gerecht verteilt werden. Es braucht einen kantonalen Lastenausgleich, bei dem reiche Gemeinden ihre Lasten nicht auf Zentren abwälzen und ihre Steuerfüsse ins Bodenlose senken können.

Das bedeutet andererseits aber auch, dass Steuergeschenke rückgängig gemacht werden, damit alle Menschen nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dazu beitragen, dass die Stadt Winterthur ihre vielfältigen Aufgaben wahrnehmen kann.


Mattea Meyer,
15.7.2014, 113. Jahrgang, Nr. 40.

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