Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 14.8.2014:

Den Ausgleich gegen Equador erzielte Admir Mehmedi, doch:

Wir alle sind das Team.

Beim Abarbeiten der liegengebliebenen Post vor den Sommerferien öffnete ich einen Brief, darin ein rotes Stofftuch mit Schweizerkreuz und dem Aufdruck: Wir alle sind das Team. Der Einstieg für meine 1.-August-Rede in Lindau war gegeben.

Denn unsere Fussball-Nationalmannschaft hat eine identitätsstiftende Funktion. Von Genf bis Kreuzlingen, von Basel bis Chiasso haben Menschen mitgefiebert, als die Schweiz im Eröffnungsspiel der Ausgleich und in der Nachspielzeit der Siegtreffer gelang. Kollektiv war die Erleichterung nach der Achtelfinal-Qualifikation. Und die Achterbahn der Gefühle in der Verlängerung gegen Argentinien, als wir mit der letzten Aktion nur den Pfosten trafen, haben wir alle ähnlich durchlebt: Unabhängig, ob Romand oder Deutschschweizer, SVPler oder SPler, jung oder alt, arm oder reich, alteingesessener Schweizer oder neueingebürgerter Kosovare.

Die Schweiz ist eine Willensnation. Wir besitzen keine gemeinsame Sprache oder Religion, auf denen unsere Nation gründet. Es gibt wenig Verbindendes. Die Romands sind beeinflusst durch Frankreich, wir durch Deutschland. Winterthur erhielt das Stadtrecht vor 750 Jahren durch die Habsburger, wir standen also in Sempach und Morgarten auf der falschen Seite. Wegweisende Erneuerungen für unser Land brachte mit Napoleon, «Guete Bonjour», ein Franzose. Dem Bundesstaat von 1848 ging der Sonderbundskrieg, ein Bürgerkrieg zwischen Konservativen und Liberalen, voraus. Und noch heute stellt Claude Longchamp fast jeden Abstimmungssonntag einen Stadt-Land- und-oder einen Rösti-Graben fest.

Und trotz allem: Es funktioniert. Wir leben gut zusammen, in relativer Sicherheit und Wohlstand. Das ist aber keine Selbstverständlichkeit. Wir verdanken diese Errungenschaften wie einer funktionierenden sozialen Sicherung, unserem Rechtsstaat und guten Infrastrukturen. Und einem friedlichen Umfeld um uns herum. Auch das ist leider, 100 Jahre nach dem Ausbruch des ersten Weltkrieges, wo nationalistische und extreme Kräfte wieder Regionen destabilisieren und auch bei uns salonfähig werden, keine Selbstverständlichkeit. Wir sollten also gerade am 1. August zur Einsicht gelangen, dass wir kein auserwähltes, isoliertes Volk, sondern nach aussen Teil eines grösseren, vielfältigen Ganzen sind. Und uns nach innen durch eine Vielfalt auszeichnen, die kein Gegensatz, sondern eine Stärke, das Verbindende ist.

Wenn ich noch einmal an die WM-Szenen zurückdenke, die Identifikation schufen und dabei die Namen der Akteure einsetze, dann wird die Vielfalt so richtig bewusst: Den Ausgleich gegen Equador erzielte Admir Mehmedi – ein Winterthurer. Der umjubelte Siegtreffer in der 93. Minute gelang Haris Seferovic auf Zuspiel von Ricardo Rodriguez. Die drei Tore gegen Honduras erzielte Xherdan Shaqiri. Und leider nur den Pfosten traf in letzter Sekunde gegen Argentinien Blerim Dzemaili. Sorgen wir also dafür, dass nicht nur auf dem Fussballrasen, sondern auch in der Gesellschaft alle mitmachen und teilhaben können und integriert sind. Denn: Wir alle sind das Team.


Nicolas Galladé,
14.8.2014, 113. Jahrgang, Nr. 70.

Artikel als PDF downloaden

Zu diesem Artikel wurde noch kein Standpunkt abgegeben.

 

Veröffentlichen Sie als erste Person Ihren

Standpunkt*:

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.