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«Wandzeitung» vom 14.11.2014:

Der Kanton Zürich ist im Sozialhilfe-Wettbewerb im Hintertreffen:

Lieber ein Verlierer sein.

«Nüllkomma nix z tüe», habe das Problem der hohen Kosten mit dem Kindes- und Erwachsenenschutzgesetz, sagte kürzlich die Walliser CVP-Nationalrätin Viola Amherd in der Arena. Die Sendung war in doppelter Hinsicht bemerkenswert: Zum einen fiel das über Wochen inszenierte Bashing gegen die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden innert 74 Minuten in sich zusammen. Wie wenn einem aufwändig aufgeblasenen Ballon einfach so die Luft entweicht. Zum anderen herrschte Konsens, dass bezüglich der Verteilung der Sozial(hilfe)kosten einige Kantone hinter dem Mond sind.

«In unserem Kanton hat es einen Wechsel gegeben vor rund 15 Jahren, wo nicht mehr jede Gemeinde ihre Kosten bezahlen muss. Sondern wo es einen Pool gibt im ganzen Kanton, wo alle Gemeinden die Gelder aufgrund ihrer Finanzstärke und Bevölkerungsanteile einbezahlen und aus diesem Pool werden die Fälle bezahlt», führte Amherd in einer Selbstverständlichkeit aus, während Experte Christoph Häfeli ergänzte: «Es ist Sache der Kantone, das zu organisieren. Und da gibt es eine Reihe von intelligenten Lösungen. Und die ganze Westschweiz hat das Problem nicht, weil sie die Kosten schon längst intelligenter verteilen als gewisse Kantone in der Deutschschweiz, die die Kosten ihren Gemeinden um die Ohren chlöpfen. Das kann man anders lösen und da müssen die Kantone ihre Hausaufgaben machen.»

Ein Kanton, der seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, ist der Kanton Zürich. Die Soziallasten variieren massiv von Gemeinde zu Gemeinde. Statt dieses Thema anzugehen und diese kaum beeinflussbaren Kosten solidarischer zu verteilen, setzen gewisse Parteien im Kantonsrat noch einen drauf: «Bürgerliche wollen Wettbewerb in der Sozialhilfe», titelte der Tagi aufgrund eines kürzlich von SVP, FDP (!) und Grünliberalen (!) eingereichten Vorstosses, der den Austritt des Kantons Zürich aus der Sozialhilfekonferenz Skos und mehr Spielräume – sprich: Wettbewerb – für die Gemeinden bei der Gewährung von Sozialhilfe fordert.

Der Duden definiert Wettbewerb mit «etwas, woran mehrere Personen im Rahmen einer ganz bestimmten Aufgabenstellung, Zielsetzung in dem Bestreben teilnehmen, die beste Leistung zu erzielen, Sieger zu werden.» Die Aufgabenstellung im «Wettbewerb bei der Sozialhilfe» besteht also darin, unattraktiv zu werden für – potentielle – Sozialhilfebeziehende, sprich: Kinder, Jugendliche, Familien, Alleinerziehende, Leute mit geringer Schulbildung und aus weniger wohlhabendem Elternhaus, über 50-jährige Stellensuchende etc. Die Zielsetzung ist demzufolge, möglichst wenige dieser Bevölkerungsgruppe in der eigenen Gemeinde zu haben. Und die beste Leistung besteht darin, diese Leute abzuwehren oder aus der eigenen Gemeinde herauszuekeln.

«Lieber ein Verlierer sein», kann da mit Blick auf diesen paradoxen, ja perversen «Wettbewerb» das Motto nur lauten. Oder den Wettbewerb richtig definieren: «Solidarische und intelligente Lösungen auf kantonaler Ebene bei der Soziallastenverteilung.» Der Kanton Zürich ist in diesem Wettbewerb noch etwas im Hintertreffen. Gegenüber dem Wallis etwa um rund 15 Jahre.


Nicolas Galladé,
14.11.2014, 113. Jahrgang, Nr. 162.

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Standpunkte:

15.11.2014, 14:01 Uhr.

Pierre-François Bocion schrieb:

Eine sehr gute, klare, objektive Antwort. Vielen Dank! Einen schönen, herbstlichen Sonntag wünsche ich.


15.11.2014, 11:57 Uhr.

Nicolas Galladé schrieb:

Besten Dank für Ihre Einschätzung, Herr Bocion. Ich gehe mit Ihnen einig, dass es gesamthaft gesehen ein Nullsummenspiel sein wird, weil wir eine gewisse Anzahl sozial Bedürftiger haben und es keinen Sinn macht, diese von Gemeinde zu Gemeinde zu jagen, da es gesamthaft gleich viel kostet. Bestandteil eines Wettbewerbs sollte aber sein, dass alle die selben Voraussetzungen haben. Alle beim 400-Meter-Lauf gleichzeitig starten und nicht noch einer eine Zusatzrunde laufen muss. Bei der Sozialhilfe ist es so, dass gewisse Gemeinden kaum beeinflussbare Strukturen aufweisen –Grösse, Zentrumsfunktion, Wohnungsmarkt, soziodemographische Zusammensetzung der Bevölkerung – weshalb man nicht von einem Wettbewerb sprechen kann und weshalb eine solidarische Finanzierung Sinn macht.


15.11.2014, 11:10 Uhr.

Pierre-François Bocion schrieb:

Da ich ein parteiungebundener Beobachter der politischen Szene bin, ist aus meiner Sicht die Konklusion falsch, eine Unterstellung, die in dem Artikel gezogen wird. Wettbewerb ist aus meiner Sicht, gemäss Duden, eine mögliche Form bei der Organisation der Gesellschaft. Der Wettbewerb zwischen den Gemeinden soll helfen die Verteilungskosten in Grenzen zu halten und nicht die Reduktion der Summe der zu verteilenden Gelder.


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