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«Wandzeitung» vom 21.8.2014:

Gerechtigkeit auf Erden:

Wer war Fritz Löhner-Beda?

Fast immer stehen sie im Schatten der Komponisten: die Librettisten, gemäss der Ansicht, die Mozart 1781 in einem Brief an seinen Vater äusserte, bei einer Oper müsse «schlechterdings die Poesie der Musick gehorsame Tochter seyn». Während jährlich über 400 000 Besucher Mozarts Geburtshaus in der Salzburger Getreidegasse stürmen und sich an Mozartkugeln, -würfeln, -talern und -likör delektieren, werden wohl beträchtlich weniger Fans da Pontes dessen Geburtsort Vittorio Veneto aufsuchen. Und Hand aufs Herz, während Ihnen die Namen Verdi oder Puccini höchst vertraut sind, sieht das bei Adami, Illica, Giacosa, Cammarano oder Ghislanzoni vermutlich anders aus.

Der 1883 in Wildenschwert in Böhmen als Bedřich Löwy geborene Fritz Löhner-Beda ist einer der zahlreichen jüdischen Operettenlibrettisten, die den Verfolgungen durch das Naziregime zum Opfer fielen. Ihm verdanken wir unter anderem die Texte zu Abrahams «Viktoria und ihr Husar», «Die Blume von Hawaii» und «Ball im Savoy», zu Lehárs «Friederike», «Das Land des Lächelns» und «Giuditta» und zu Schlagern wie «Ich hab' mein Herz in Heidelberg verloren» und «Ausgerechnet Bananen».

Die Erfolge machten Löhner-Beda reich; er zog mit seiner Frau in eine luxuriöse Wiener Wohnung und erwarb eine Villa in Bad Ischl. Er wurde Mitbegründer und Präsident des grössten jüdischen Sportvereins der Welt, des SK Hakoah, man wählte ihn zum Vizepräsidenten der «Österreichischen Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger». Aber schon am 13. März 1938, einen Tag nach dem Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich, wurde der Librettist verhaftet, zunächst ins KZ Dachau und dann ins KZ Buchenwald gebracht, wo er den Text für das berühmt gewordene «Buchenwaldlied» schrieb. Am 17. Oktober 1942 wurde er nach Auschwitz deportiert. Sein Freund Franz Lehár, der alle Jahre wieder schriftlich Hitler, Goebbels und Goering zu ihrem Geburtstag gratulierte, unternahm nichts zu seiner Freilassung und beteuerte nach dem Krieg, nichts gewusst zu haben.

Am 4. Dezember 1942 inspizierten Direktoren der I.G. Farbenindustrie AG ihr Buna-Werk in Auschwitz und kritisierten die Arbeitsleistung des mittlerweile dort Zwangsarbeit leistenden, erkrankten 59-Jährigen mit den Bemerkungen: «Diese Judensau könnte auch rascher arbeiten» und «Wenn die nicht mehr arbeiten können, sollen sie in der Gaskammer verrecken.» Noch am selben Abend wurde Löhner-Beda von einem Kapo erschlagen.

Schon 1945 wurden in Wien wieder Operetten mit Löhner-Bedas Texten aufgeführt, doch häufig, wie schon zur Zeit des Nationalsozialismus, ohne Nennung seines Namens. Alle I.G.-Direktoren, die bei der Inspektion des Auschwitzer Buna-Werks dabei gewesen waren, wurden übrigens in Kriegsverbrecherprozessen zu mehreren Jahren Haft verurteilt, vorzeitig entlassen und Aufsichtsratsmitglieder verschiedener Firmen. Die BASF, eines der Nachfolgeunternehmen der IG. Farben, ist heute der führende Chemiekonzern der Welt...

 


Herbert Danzer,
21.8.2014, 113. Jahrgang, Nr. 77.

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