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«Wandzeitung» vom 13.8.2014:

Zürich ist nicht hässlich:

Winterthur ist einfach schöner.

Der 1. August ist vorüber und die Abneigung gegen knallende Feuerwerkskörper und meine durch Vegetarismus begründete Cervelat-Abstinenz machten mir aufs Neue klar: Ich bin keine Schweizer Patriotin wie sie im Buche steht. Auch der Kantönligeist war mir bis vor ein paar Jahren vollkommen fremd. Dass zum Beispiel alle Aargauer angeblich weisse Socken tragen und die Mehrheit der Bündner kifft, war mir lange nicht klar. Und auch, dass wir bei der Französisch sprechenden Seite ziemlich unbeliebt sein sollen nahm ich mit naiver Erschrockenheit zur Kenntnis.

Die einzige unbegründete Abneigung die ich hege, richtet sich – wie sollte es anders sein – gegen die Stadt Zürich. Kennen Sie das auch? Die plötzliche, intensive Entrüstung, die einen bei der Frage überkommt, ob man Zürcherin sei? «Nein, ich bin Winterthurerin!», antworte ich dann jeweils überlegen lächelnd und in einem Tonfall, der die Möglichkeit einer zürcherischen Abstammung vollkommen lächerlich erscheinen lässt.

Warum eigentlich? Woher kommt die Antipathie gegenüber unserer grossen Schwester? Nachtragender Groll, weil wir anfangs der frühen Neuzeit unter ihrer Herrschaft standen und darunter litten? Heimlicher Neid auf den See, nach dem sich Winterthur schon so lange verzehrt?

Zugegeben, die Stadt Zürich und ihre Einwohner sind in der restlichen Schweiz generell wohl nicht sonderlich beliebt, Röschtigraben und Kantönligeist lassen eben grüssen.

Aber in Winterthur scheint mir die Feindseligkeit doch spürbarer als anderswo, und ich merke auch bei mir einen inneren Widerstand, etwas Positives über Zürich zu schreiben. Aber wenn wir jetzt mal kurz ehrlich sind und in uns gehen, müssen wir zugeben, dass Zürich schon ein paar ganz passable Ecken hat. Eben: Den See, das mittelalterliche Niederdörfli und natürlich die Universität nebst ETH.

Als ich letztes Wochenende Deutschland besuchte, kam ich aufgrund meiner jeweiligen entrüsteten Reaktion auf die Frage nach meiner Heimat: «Nein! Winterthurerin!» nicht darum herum, die generelle Abneigung Winterthurs gegenüber Zürich zu erklären. Und stockte. Denn rational gesehen macht sie nicht wirklich viel Sinn. Und dann wurde mir klar: Es ist nicht die Stadt Zürich an sich, die ich nicht mag. Es ist wohl tatsächlich nur ihr Verhältnis zu Winterthur. Eine irrationale Angst, dass Winterthur von Zürich in den Schatten gestellt wird; dass wir zumindest in den Köpfen, Zürich wie vor mehreren Jahrhunderten irgendwie (an-)gehören, von ihr abhängig sind. Und vielleicht mag ich Zürich die lang gewesene Vergangenheit tatsächlich nicht ganz verzeihen, auch wenn sie mich in keiner Weise betrifft.

Schwachsinn, oder? Nein, wir brauchen Zürich nicht. Und verpfändet sind wir zum Glück auch nicht mehr. Aber gerade deshalb sollten wir versuchen, den Spiess emotional umzudrehen.

Ab heute versuche ich deshalb nicht mehr zu sagen: «Zürich ist versnobt, unfreundlich und unsympathisch. Deshalb mag ich die Stadt nicht.» Sondern: «Winterthur ist offen, freundlich und vor allem heimelig. Denn darauf kommt’s ja eigentlich am meisten an. Und genau deshalb mag ich unsere Stadt so.»


Anita Hofer,
13.8.2014, 113. Jahrgang, Nr. 69.

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