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«Wandzeitung» vom 6.6.2014:

Unser Bundespräsident und OSZE-Chef Didier Burkhalter wirkt deeskalierend in der Ukraine-Krise:

Diplomatie ist Sanktionen vorzuziehen.

Gewiss stehe ich mit der bangen Frage nicht allein, ob in der Ukraine wie auf der Krim ein Drama abgeht, bei dem unklar ist, wer die Machtfäden zieht. Wir durch und durch demokratisch geprägten Mitteleuropäer haben ja trotz grossem Interesse am föderativen Staat wenig Ahnung davon, wie die russische Seele funktioniert. Und diese mangelnde Kenntnis mag bei uns ab und an Angst vor einer misslichen Entwicklung im flächenmässig grössten Land der Erde auslösen.

Doch was jede Einzelmaske weltweit versteht, ist geschickte Diplomatie, wie sie unser Bundespräsident und OSZE-Vorsitzende Didier Burkhalter intus hat und ausübt. Sein engangiertes Handeln schafft Vertrauen und wirkt verbindend wie deeskalierend. Und deshalb ist seine intellektuelle Leistung nicht nur absolut brillant, sondern im akuten Konflikt auch mutig, vielleicht auch die Chance auf ein Ende dieser sinnlosen Gewalt, die halt die weiland schon erlebte Bedrücktheit im Kalten Krieg wieder hochkommen lässt. Was sonst, als solche Emotionen, verführen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Holland dazu, den russischen Präsidenten offen der Trickserei zu beschuldigen und ihm mit Verschärfung sinnloser EU-Sanktionen zu drohen?

Burkhalter betreibt konsequent kein Russland-Bashing, spricht nicht wie die Leader der deutsch-französischen Achse, unsachlich von Putins Gunst der Stunde in der Krim. Er kann wohl dessen Forderungen nachempfinden: Föderalisierung der Ukraine, Russisch als dessen zweite Amtssprache und ein Verzicht auf einen Beitritt zur Nato wie zur EU. Der Schweizer Bundesrat nimmt die ernste Stimmung in Bezug auf die Osterweiterung von Nato und EU genauso wahr, wie der Aushebelung der russlandfreundlichen Regierung in Kiew. Burkhaltersche Diplomatie ist in jedem Fall effizienter als unbeholfener westlicher Sanktionismus, und sie darf niemals aktueller Opportunität geopfert werden. Burkhalter versteht’s wohl besonders gut, in so gefährlichen Situationen zu vermitteln, weil er das Denken und Handeln hüben wie drüben zumindest nachvollziehen kann. Er nimmt es der russischen Regierung ab, dass Putin in Russland eine funktionierende Demokratie und ein stabiles Staatswesen anzielt. Man kann die Geschichte nicht zurückdrehen: 75 Jahre lang wurde das Land von einer kommunistischen Herrschaft unterdrückt und die Folgen dieser krassen Unterdrückung müssen erst einmal überwunden werden. Demokratie kann man nicht bloss mit einer Hebelbewegung in Kraft setzen, sie muss in kleinen Schritten mühsam wachsen. Und in Freiheit leben lernen, das ist ein mühsamer Prozess.

Frieden, so viel ist klar, ist kein gesichertes Gut, er muss fort und fort gehegt und gepflegt werden. Und das im Dialog auf Augenhöhe, nicht als überhebliche Belehrung.


Guido Blumer,
6.6.2014, 113. Jahrgang, Nr. 1.

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