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«Wandzeitung» vom 24.1.2015:

Winterthur hat seinen Wandel hinter sich:

Willkommen in der Agglo.

Das ehrwürdige Stadttheater ist endlich einem Kongresshaus mit unterirdischem Parkhaus gewichen. Statt mit Räubern, Werther oder Woyzeck provoziert Winterthur an dieser Stelle nun mit WEF, Glencore-Versammlungen und mit einem Autosalon. Dies sorgt für heisse Nächte in Winterthur, ganz im Gegensatz zu den kalten Betten im Hotel nebenan. Hauptsache man bleibt im Gespräch. Ausser dem Musikkollegium und den Museen fiel bei Balance die ganze Kultur über den Rand. Bei den kleinen Kulturinstitutionen konzentriert man sich gemäss Kulturleitbild auf die Leuchttürme Dorf- und Oktoberfeste. Mittlerweilen gilt auch für Kunstwerke im öffentlichen Raum die 50-Prozent-Hürde. Das spart enorm Geld, weil nichts mehrheitsfähig ist. Selbst das Nachfolgeprojekt von «Holidi» durch «Frau Holidi» fand bei einer Abstimmung keine Mehrheit. Die freikirchlichen Kreise haben sich erfolgreich gegen eine solch anzügliche Darstellung im öffentlichen Raum gewehrt.

Der Stadtrat hat sich restrukturiert und reorganisiert. Es geht nicht mehr darum politische Prozesse aufzugleisen und Projekte zu entwickeln. Da ja sowieso keine Mitarbeitende mehr für so komplizierte Aufgaben zur Verfügung stehen, fliessen die Sorgen und Wünsche der Winterthurerinnen und Winterthurer direkt in die Umsetzung. Der Stadtpräsident hat jeweils morgens und mittags Sprechstunde im Stadthaus. Anfangs reichte die Kolonne der Interessierten bis zum oberen Graben, das hat sich nun aber geändert. Man hat gemerkt, dass man so nicht vorwärts kommt und heute bekommen nur noch die Handelskammer, der Hauseigentümerverein, der KMU-Verband und CEOs von Firmen mit mehr als 100 Angestellten eine Audienz.

Der Gemeinderat übernimmt bei Geschäften nun die operative Führung, so wie er sich das immer gewünscht hat. Er spricht Gelder und Aufträge direkt an Firmen und Investoren, welche Aufgaben wie Stromversorgung, Wasserversorgung, Reinigungsarbeiten, Stadtgärtnerei und Polizei übernehmen. Und siehe da, diese Auslagerungen haben sich tatsächlich gelohnt, wenigsten für die Leute, die im von einer Privatfirma abgeschirmten und bewachten Quartier in Seen wohnen. Seit die Stadtentwicklung abgeschafft worden ist, floriert auch das Baugewerbe wieder. Es gibt keine Auflagen mehr und Baugesuche gelten – das hat das Bundesgericht entschieden –, wenn nach drei Jahren immer noch kein Entscheid erwartet werden kann, automatisch als bewilligt. Dem letzten Mitarbeiter im Baudepartement ist es jedoch gelungen, gerade noch rechtzeitig einen abschlägigen Bescheid für die autonome Siedlung auf dem Püntareal Rosenberg zu erarbeiten. Man munkelt zwar, dass er dabei Unterstützung durch private Kreise erhalten hat, es entspricht aber dem geltenden Recht. Das Zeughausreal wird endlich genutzt. Dort stehen mehrstöckige Pavillons für die Gastarbeiter, welche findige Unternehmer direkt von den WM-Baustellen in Katar übernommen haben. Sie verdichten unsere Stadt endlich mit Klötzen und Türmen.


Christoph Baumann,
24.1.2015, 114. Jahrgang, Nr. 24.

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