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«Wandzeitung» vom 24.11.2015:

Pray for the world:

Von Terror und Gleichberechtigung.

«Pray for Paris» heisst es seit Freitag überall in der Presse und auf allen sozialen Netzwerken. Die Trauer ist gross, jedermann ist zutiefst getroffen und erschreckt. Wie ist so etwas nur möglich? Was geht in den Köpfen dieser Täter vor, dass sie denken, das Töten von über 100 Menschen und auch sich selber bringe sie Gott näher, beziehungsweise, dies sei die wahre Bekennung zum Glauben? Es ist unbegreiflich und versetzt einfach nur in Wut, dass jemand willens ist, solchen Schaden an Menschen anzurichten.

Spenden werden getätigt. Jeder zeigt sein tiefstes Mitgefühl. Auf Facebook hinterlegt sogar jeder Zweite sein Profilbild mit dem französischen Wappen. Schon nach zwei Tagen gibt es online T-Shirts mit dem Aufdruck Pray for Paris zu kaufen. Doch mich macht das ganze Getue nur noch wütender. Die Situation wird also auch schon genutzt, um einen wirtschaftlichen Nutzen darauszuziehen. Unglaublich. Glauben die Leute echt, dass man mit diesen Aktionen irgendetwas bewirken kann? Werden die Toten wieder auferstehen? Sind die Angehörigen weniger traurig über die Verluste? Werden weitere Attacken verhindert? Nein. Oder eine ganz andere Frage: Wieso ist nicht die ganze Welt so erschüttert über das Attentat in Beirut, in dem am Vortag 40 Menschen getötet wurden? Oder wieso heisst es nicht Pray for Ankara, wo am 10. Oktober auch über 100 Menschen in die Luft gejagt wurden? Täglich werden irgendwo auf der Welt Anschläge verübt – die meisten wissen jedoch nichts davon. Wieso ist also die Anteilnahme für Paris plötzlich so gross? Verdienen die Angehörigen in Paris mehr Beileid als anderswo auf der Welt? Oft habe ich in den letzten zwei Tagen gehört, dass sich die andern Anschläge ja sowieso in Kriegsgebieten ereigneten, oder dass uns Paris halt einfach mehr betrifft als der Osten. Ja und? Rechtferigt das den Tod so vieler Menschen? Die Nachrichten erstaunen weniger, das stimmt, und es ist auch wahr, dass wir uns mit Paris – einer westeuropäischen und demokratischen Stadt – besser identifizieren können. Ist es jedoch weniger schlimm, wenn ein Türke stirbt, als wenn es einen Franzosen trifft? Ist deren Leben weniger wert?

Ich will nicht sagen, dass ich schlecht finde, was alle für Paris tun und empfinden. Auf der einen Seite ist es ja auch veständlich, dass man mehr Gefühle entwickelt, wenn überall von einem solchen Unglück berichtet wird. Traurig finde ich nur, dass genau wir, die immer von Gleichberechtigung und Gleichwertigkeit zwischen allen Menschen sprechen, in solchen Situationen dann doch wieder anders handeln.

Ich will nicht mit allen mitziehen und um die Stadt der Liebe trauern. Und zwar nicht, weil ich gefühlslos bin, ich möchte nur nicht die Opfer von Paris über alle anderen Opfer stellen. Ich trauere um die ganze Welt und das, was mit ihr passiert. «Pray for the world» würde es eigentlich besser treffen.

 


Salome Weber,
24.11.2015, 114. Jahrgang, Nr. 328.

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Standpunkte:

15.12.2015, 20:41 Uhr.

Hans Peter schrieb:

Niemand hat gesagt, dass das Leben anderer Menschen mehr Wert sei. Der Wert eines Menschnlebens «definiert» jede Gesellschaft selbst. Niemand ermordet mehr Muslime, als die Muslime selbst. Es sind nicht nur politische Morde, sondern auch Ehrenmorde und damit zeigen Muslime, dass für sie ein Menschenleben keinen hohen Wert hat. Auch in China, Nordkorea und Russland ist ein Menschenleben weniger wert, die Regimes bringen massenhaft kritische Menschen um. Das ist alles sehr bedauerlich. Aber wir können unmöglich mit allen die selbe Empathie haben, wie mit Menschen aus unserem Kulturkreis, die Opfer von religiösem Fanatismus wurden.


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