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«Wandzeitung» vom 23.1.2015:

Private Banking – Pirate Banking?

Nochmals über die Banken.

Stanisław Lem, einer der bedeutendsten und interessantesten Sciencefictionautoren in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, lässt in seinem Roman «Lokaltermin» den Raumfahrer Ijon Tichy, den Helden seiner «Sterntagebücher», Urlaub in der Schweiz machen, um Ruhe zu finden «im Herzen des terroristischen Tiefs», wo sich auf den Zeitungsseiten «die Kantone in gedämpftem Bankendialekt» unterhalten. Aber bald schon nerven Tichy «die geleckten Grünanlagen, die goldgleissenden Schilder der Banken, die Börsen- und Devisenkurse in der Neuen Zürcher Zeitung», und er meidet bei Spaziergängen eine bestimmte Stelle, denn man hatte ihm gesagt, unter dem Asphalt befänden sich Tresore voller Gold. Im Keller habe man es nicht mehr unterbringen können, und so habe die Bank Stollen zwischen die Röhren der Kanalisation treiben müssen...

Die Schweiz gilt mit vollem Recht als Land der Banken und Banker. Jeder 17. Beschäftigte ist im Finanzsektor tätig, der ein Zehntel des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. Die Schweiz ist insbesondere führend im Bereich der privaten Vermögensverwaltung, des so genannten Private Banking; nicht weniger als sechs Schweizer Banken finden sich unter den wichtigsten 20 der internationalen Rangliste, die UBS und Credit Suisse sogar regelmässig an der Spitze. 2012 schätzte man das gesamte von Schweizer Private-Banking-Instituten verwaltete Vermögen auf mehr als 6 Billionen $, fast das Zehnfache des Schweizer BIP, und mehr als die Hälfte davon war im Besitz ausländischer Investoren.

Die Schweiz ist nämlich auch führend in der Verwaltung so genannten «Offshore-Vermögens». Sie bietet als Steuer- und Wohnparadies nach wie vor nicht nur sichere und niedrig besteuerte Wohnsitze für Superreiche, sie ermöglicht es den Eliten reicher und armer Länder auch, ihre Vermögen steuerfrei unterzubringen. Mehr als ein Viertel des weltweiten Offshore-Vermögens, so schätzt man, wird in der Schweiz verwaltet. Jährlich gehen so den Entwicklungsländern mehr Steuereinnahmen aus Zinsen ungemeldeter, ins Ausland transferierter Gelder verloren, als die OECD-Länder insgesamt Entwicklungshilfe leisten. Compliancevorschriften seien, so wird beklagt, voller Schlupflöcher, löchrig wie ein Schweizer Käse; in einer Art «Zebra-Strategie» werde Weissgeld von den OECD-Staaten genommen und Schwarzgeld vom Rest der Welt. Erst wenn Potentaten stürzen, werden ihre Konten gesperrt, so nach dem arabischen Frühling mehr als eine Milliarde Franken der Herren Gaddafi, Mubarak und Ben Ali.

Am kuriosesten ist es, dass überall nur von normalen Steuerzahlern finanzierte Finanzspritzen in Höhe von hunderten Milliarden dieselben Institute retteten, die bei bei der Ermöglichung von Steuerhinterziehung weltweit führend sind. Und dass dieselben Banken, die sich begierig darum bemühen, Gelder ausländischer Eliten zu verwalten, gleichzeitig emsig Konten von Auslandsschweizerinnen und -schweizern kündigen, die Bedingungen verschärfen und die Kontoführungsgebühren erhöhen, ist nur ein weiteres eigenartiges Faktum am Rande.

 

 


Herbert Danzer,
23.1.2015, 114. Jahrgang, Nr. 23.

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