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«Wandzeitung» vom 23.8.2015:

In memoriam Asgeir Einar Sigurðsson:

«Yariko», eine vergessene Oper.

Fragt man jemanden, was ihm zum Stichwort «isländische Musik» einfalle, so antwortet er wahrscheinlich mit «Björk». Dabei hat Island auch Beachtenswertes im Bereich der klassischen Musik hervorgebracht. Seit 1950 existiert das Isländische Sinfonieorchester und sogar Opernkomponisten stammen aus Island, wie Jon Asgeirsson, dessen Werk «Thrymskvida» 1874 als erste isländische Oper überhaupt uraufgeführt wurde, Atli Heimir Sveinsson mit der Oper «Silkitromman» (1982) oder Asgeir Einar Sigurðsson, dessen Geburtstag sich heuer zum 80. Mal jährte.

Sigurðsson wurde am 17. Juni 1935 (am späteren Nationalfeiertag, da am 17.6.1944 die Republik ausgerufen wurde) in der kleinen Stadt Heimaey auf der gleichnamigen Westmännerinsel als zweites Kind einer Lehrerfamilie geboren. Da man frühzeitig auf sein musikalisches Talent aufmerksam wurde, studierte er an der Musikhochschule in Reykjavik Klavier bei Rognvaldur Sigurjonsson, absolvierte einige Auslandsstudien und widmete sich anschliessend in seiner Heimat der Erforschung isländischer Volkslieder und der Komposition von Vokalmusik, insbesondere von Liedern und Kantaten («Brenna Njalls», «Ragnarök»). Seine einzige Oper «Yariko» blieb unvollendet.

Im Jänner 1973 ereignete sich die erste Katastrophe in Asgeir Einars Leben: Bei vulkanischen Eruptionen bildete sich auf Heimaey ein neuer Vulkan und eine ungeheure Aschenmenge verschüttete fast 400 Häuser, darunter auch das Asgeir Einars. Nach dem Verlust seiner Liedersammlung und sämtlicher Aufzeichnungen erlahmte seine Schaffenskraft. Er zog sich in der Folge nach Flateyri, ein Dorf in den Westfjorden Islands, zurück, wo er im Winter 1995 beim Abgang einer Lawine aus dem 600 m hohen Eyrarfjall ums Leben kam.

Den Stoff für seine einzige, Fragment gebliebene Oper lernte der Komponist in London kennen. Der zwanzigjährige Kaufmannssohn Thomas Inkle bricht 1647 mit dem Schiff «Achilles» zu einer Reise nach Westindien auf. Nach einem Schiffbruch werden die Überlebenden von Indianern getötet. Inkle, dem die Flucht in den Wald gelingt, begegnet dort der jungen Indianerin Yariko, die sich in ihn verliebt und ihm dadurch, dass sie ihn in einer Höhle versteckt, das Leben rettet. Er verspricht ihr die Ehe und ein schönes Leben in England, flieht mit ihr auf ein Schiff seiner Landsleute und gelangt mit ihr nach Barbados, wo er sie als Sklavin verkauft. Als sie ihn für sich und ihr gemeinsames Kind – sie ist mittlerweile von ihm schwanger – um Gnade anfleht, verlangt Inkle vom Käufer eine Erhöhung des Kaufpreises.

Die Sturmszene zu Beginn erinnerte an Lockes Vorspiel zu «The Tempest», die Klage Yarikos an «Dido's Lament» von Purcell und am Schluss der Oper stand der gewaltige Chor «Nummus est summus», der die Macht des Kapitalismus verherrlichte. Leider sind weder Originalpartitur noch Abschriften oder Aufnahmen erhalten; es bleibt aber zu hoffen, dass im Zuge des Projekts «Pompeji des Nordens», bei dem einige verschüttete Häuser auf Heimaey ausgegraben werden, auch Bestände Sigurðssons gerettet werden können und so dem Schaffen dieses fast vergessenen Komponisten späte verdiente Würdigung zuteil wird.

 


Herbert Danzer,
23.8.2015, 114. Jahrgang, Nr. 235.

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