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«Wandzeitung» vom 17.5.2015:

Brauchen Politiker Nachhilfe?

Kasachstan retour.

In allen Medien ist die Rede von Kasachstan. Und von Marie-Louise Baumann. Und von Christa Markwalder. Und von Burson-Marsteller. «Die letzten Tage waren die Hölle.» Nicht in Kasachstan, sondern im privaten Umfeld und für Christa Markwalder. Was ist denn da blöd gelaufen? Eigentlich gar nichts, das ist doch ganz normal: Einige unserer Parlamentsmitglieder lassen sich Interpellationen von Agenturen schreiben, ist doch schön: Alles prima von PR-Leuten formuliert, pfannenfertig fürs Parlament. Wenn man im Nationalrat sitzt, muss man ja von sich reden machen, Hinterbänkler gibt es genug, da ist kein Bedarf. Aber wenn ich nun gar keine Ideen mehr habe, brauche ich nicht lange zu suchen: in der Wandelhalle des Bundeshauses promenieren Lobbyisten, offiziell zugelassene, die nichts anderes tun als Nationalräte und Ständeräte zu beeinflussen. Wer es zulässt und einsteigt, kriegt Geschenke und Geld. Nicht wahnsinnig viel, zum Beispiel ein Reislein nach Kasachstan, damit man weiss, für wen man sich einsetzt, oder 7000 Franken für Markwalder, damit im Nationalrat genau über das diskutiert wird, was die bezahlten Agenturen wollen.

Was ist schlecht daran? Kann man den Politikerinnen und Politikern etwas vorwerfen? Frau Badran aus Zürich relativiert die Sache und bringt es auf den Punkt: Was Markwalder getan hat, ist durchaus üblich, neu ist nur, dass es für einmal genau dokumentiert wurde. Aber es könnte der Senkrechtstarterin und der FDP leid tun. Der Sitz ums Präsidium des Nationalrats ist plötzlich nicht mehr sicher, das Ausplaudern von Kommissionsinternas könnte einenVerweis zur Folge haben. Markwalder betont zwar immer wieder, dass nichts Brisantes dabei war – ob und was für die Kasachstaner wichtig oder brisant ist, werden wir nicht erfahren, denn da gibt sich die Nationalrätin bedeckt. Informationen aus der Aussenpolitischen Kommission gelangen nicht an die Presse, wohl aber über Lobbyisten an die interessierten Kreise. Nur gerade 20 Politiker vergeben keine Badges an Lobbyisten Jeder dürfte zwei vergeben. Man werde aber ständig angefragt. Chantal Galladé aus Winterthur erhält etwa einmal im Monat eine solche Anfrage, bleibt aber hart: Sie will sich nicht mit einer Interessengruppe verbandeln und unabhängig bleiben. Bravo!

Gut an der Markwalder-Kasachstan-Geschichte ist einzig, dass die Zugänge zur Wandelhalle ein Gesprächsthema sind und einsichtige Politiker den Zugang beschränken wollen. Tatsache ist, dass Politiker keinen speziellen Pausenraum haben und deshalb in der Wandelhalle Gedanken austauschen, die von den Lobbyisten aufmerksam verfolgt werden. Nun haben sich die Gespräche, der Gedankenaustausch in die hinterenTeile des Nationalratssaales verschoben, was zu einem höheren Lärmpegel führt und eher störend wirkt. Christa Markwalder habe ich nach ihrer Wahl in den Nationalrat interviewt und als intelligente und integre Senkrechtstarterin erlebt. Dass sie sich in der Kasachstan-Affäre als naiv bezeichnet, passt nicht zu ihr – aber irgendwie muss sie sich ja wohl wehren ... Das Amt als höchste Schweizerin wird sie nach dieser Erfahrung mit der nötigen Ein- und Umsicht führen. Das ist sicher.


André Bernhard,
17.5.2015, 114. Jahrgang, Nr. 137.

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Standpunkte:

19.5.2015, 16:23 Uhr.

Eugen von Arb schrieb:

Diese Kolumne tönt für mich gerade selbst ein bisschen wie ein PR-Text. Es ist also alles ganz normal, lobbyieren tun doch sowieso alle. Das ist ein bisschen wie die klassische Ausrede beim Waffenhandel: «Tu ich’s nicht, tut’s ein anderer». Aber sogar, wenn ich mir alle Mühe gebe und mir vorstelle, dass sich im Prinzip jede(r) schweizer PolitikerIn auf diesen kasachischen Kuhhandel hätte einlassen können, wird mir Frau Markwalder davon kein bisschen sympathischer – und integer erscheint sie mir schon gar nicht! Für mich gilt immer noch die – offenbar naive – Vorstellung, dass PolitikerInnen sich nebst Eigeninteressen und Lobbying auch noch für höhere Werte wie Demokratie und Gemeinwohl einsetzen und sich nicht einfach kaufen lassen. Noch dazu so billig. Immerhin sind jetzt die Tarife klar – diese sind erstaunlich volksnah. Wer lobbyiert, muss es glaubwürdig und vor allem diskret tun. Wer PR betreibt, muss verstehen, dass es einen Unterschied zwischen «Image-Pflege» und plumpem Vertuschen gibt.


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