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«Wandzeitung» vom 11.6.2014:

Das wahre Gesicht der neuen Stadtratsmehrheit:

Winterthur hat mehr verdient.

Noch vor wenigen Monaten war Winterthur eine Stadt voller Versprechen. Die Eulachstadt schien ihr ehemaliges miefiges und biederes Image definitiv abzustreifen. Der frische Wind, der Winterthur in den 90er-Jahre aus dem Dornröschenschlaf befreit hatte, wehte erneut durch die Gassen. Neue Stadtteile, urbane Räume und mutige Kulturanlässe waren am Entstehen. Parallel zur Öffnung der Stadt wurde in die Lebensqualität der Quartiere investiert, beispielhaft in Töss und im Neuwiesen-Quartier.

Und dann kamen die Wahlen. Und damit der Streit um Parkplätze. Lange konnte ich es nicht glauben, dass wirklich die Zahl der Parkplätze über das Schicksal der Stadt entscheiden sollte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man sein ganzes politisches Programm an dieser Nebensächlichkeit festmachen konnte. Doch man konnte. Die Wahlen brauchten eine neue Mehrheit, eine Mehrheit, deren gemeinsames Programm mehr Platz für Autos ist.

Viele Menschen haben die Politik aus ihrem Alltag verbannt. Man mag zwar stolz sein auf die direkte Demokratie. Aber ebenso wichtig ist der Hinweis, dass man nichts mit Politik anfangen könne. Das sei etwas für die Politikerinnen und Politiker und die seien ja sowieso alle gleich.

Die Wahlen vom letzten Februar sollten uns alle eines Besseren belehren. Politische Entscheide bestimmen unseren Alltag. Deshalb ist es wichtig, dass wir im Alltag über Politik diskutieren. Wie wollen wir in unserem Quartier zusammen leben? Wie lange soll die Bibliothek offen haben? Wie wollen wir im Alter wohnen? Wenn wir uns auch im Privaten mit diesen Fragen auseinandersetzen, sehen wir bald, dass nicht alle Politikerinnen und Politiker unsere Wünsche und Erwartungen teilen. Es ist eben nicht einerlei, wer gewählt wird.

Schmerzlich erfahren mussten das in den letzten Tagen die Tössemerinnen und Tössemer. Zehn Jahre lange haben sie in verschiedenen Prozessen mit viel freiwilligem Engagement nach Lösungen für die Probleme ihres Quartiers gesucht. Und sie wurden gefunden: Die Zürcherstrasse sollte neu gestaltet werden, so dass der Autoverkehr nicht länger das Quartier erdrückt. Mit einem Federstrich hat der Stadtrat nun alle Hoffnungen auf mehr Lebensqualität in Töss zunichte gemacht. Das Projekt «Aufwertung Zürcherstrasse» soll zur Unkenntlichkeit zusammengestrichen werden. Was interessieren schon Menschen, wenn es um Autos geht, ist man da versucht zu kommentieren.

Der Abbruch dieses Hoffnungsprojektes ist nicht nur ein Affront für die lärmgeplagte Tössemer Bevölkerung. Sie ist auch eine Ohrfeige für alle jene, die sich in den letzten Jahren ehrenamtlich engagiert haben. Die neue bürgerliche Mehrheit hat damit ihr wahres Gesicht gezeigt und allen klar gemacht: Wenn Mehrheiten sich ändern, ändert auch die Politik.

Wer das nicht hinnehmen will, stehe auf! Wer sich damit nicht zufrieden gibt, engagiere sich. Wer den frischen Wind gegen die neue Biederkeit ersehnt, ergreife das Wort. Unserer Stadt zuliebe. Denn Winterthur hat mehr verdient.

 

 


Jacqueline Fehr,
11.6.2014. 113 Jahrgang, Nr. 6.

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Standpunkte:

3.7.2014, 08:22 Uhr.

Matthias Erzinger schrieb:

Lieber Herr Bocion, Sie vergessen zu erwähnen, dass die rot-grüne Mehrheit die Steuern um mehr als 10 Prozent gesenkt hat. Sie vergessen zu erwähnen, dass dank einem an Betrug grenzendem Trick der ehemalige FDP-Bundesrat Merz die Unternehmenssteuerreform durchgedrückt hat. Der Kunstverein lebt heute von der Stadt – eine typischer Vorgang. Vor allem die umliegenden Gemeinden profitieren von der Stadt und tragen nichts dazu bei. So kann man das auch sehen. Und ich halte an der Aussage fest: Die Reichtumsverhältnisse sind heute wieder wie 1864.


12.6.2014, 16:00 Uhr.

Pierre-François Bocion schrieb:

Sparwut – eine Groteske. Eine Groteske ist laut dem Fremdwörterbuch von Duden eine Erzählform, die Widersprüchliches mit Grauen Erregendem verbindet. Mir scheint der Titel dieser Geschichte ist falsch gewählt. Wäre nicht besser ein politisches Zukunftsmärchen?


12.6.2014, 15:21 Uhr.

Pierre-François Bocion schrieb:

Ja, Winterthur hätte in den letzten zwölf Jahren mehr verdient, als eine Anhäufung von nicht durch Einnahmen gedeckte Ausgaben. Der neue, bürgerliche Stadtrat hat einen riesigen Schuldenberg geerbt. Die verfehlte rotgrüne Politik ist die Ursache, dass jetzt gespart werden muss. Auch im letzten Artikel von Herrn Erzinger werden die Winterthurer Unternehmen als Ausbeuter stipuliert. Im Gegenteil: Wer hat die weltberühmten Museen mit den aussergewöhnlichen Kunstsammlungen finanziert, wer hat das Stadthaus, das Musikollegium und den Kunstverein ins Leben gerufen? Unternehmer!


12.6.2014, 07:50 Uhr.

Roger Rutz. schrieb:

Hochmut, Ignorranz und Überheblichkeit, gepaart mit Interessenvertretung, Kalkül und dem Wissen um die Vergesslichkeit der Wählerinnen und Wähler, lässt die Politik beliebig schalten und walten. Liebe Jacqueline, vielen Dank, für Deinen Aufschrei.


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