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«Wandzeitung» vom 9.6.2014:

Studium abgeschlossen, was nun?

So etwas wie eine Weltreise.

In letzter Zeit werde ich oft gefragt, was ich vorhabe, da ich diesen Sommer mein Filmstudium abschliesse. Dann sage ich: «Ich verreise für längere Zeit.» Wenn ich dann gefragt werde, ob ich eine Weltreise mache, sage ich immer: «Nein, nein, keine Weltreise.» Und denke: «Um Himmels Willen, bitte keine Weltreise!» Denn eine Weltreise ist für mich der Inbegriff der westlichen Dekadenz. Allein schon der Begriff ist eine Anmassung. Darin steckt entweder der absurde Anspruch, die ganze Welt zu bereisen oder aber jemand findet ernsthaft, dass man die Welt bereist, indem man einmal einen Fuss auf jeden Kontinent gesetzt hat.

Früher waren es Abenteurer und Gelehrte, die reisten und fremde Kulturen und Völker kennenlernten. Heute ist Reisen Mainstream und bedeutet für mich in erster Linie Umweltverschmutzung. Die einzig vertretbare Form der Reise war für mich immer die Geschäftsreise. Wenn man von Berufs wegen in fremde Länder reisen muss, um dort zu arbeiten und bestenfalls in Kontakt mit der lokalen Bevölkerung und Kultur kommt. Wenn man eigentlich nur seiner Arbeit nachgeht und nebenbei zu einem mondänen und kultivierten Menschen wird.

Beim privaten Reisen hingegen kommen mir immer folgende Bilder in den Sinn: Ich vor einer ägyptischen Pyramide. Ich vor einem thailändischen Tempel. Ich vor dem Grand Canyon. Und dann erinnere ich mich daran, wie enttäuscht ich vom Grand Canyon war. Er war mir in Filmen und auf Bildern viel einsamer und romantischer vorgekommen. Nun stand ich mit zahlreichen anderen Touristen auf einer Aussichtsterrasse und schaute unbeteiligt in die weiten Schluchten hinab. Ich schaffte es nicht, mir den Grand Canyon einzuverleiben. Ich starrte ihn nur an und es passierte nichts. Ich hätte wahrscheinlich runter wandern müssen, um ihn in seiner ganzen naturgewaltigen Pracht zu erleben. Was im Übrigen theoretisch und unter gewissen Umständen, mit einer Bewilligung und einem Reiseführer, auch möglich gewesen wäre. Aber dazu waren wir damals zu faul. Und so stelle ich mir vor, wie ich auf einer Reise immer die unbeteiligte, emotionslose Beobachterin bleiben werde, die sagt: «So schön, diese Pyramide. Gehen wir was essen?»

Nun gehe ich trotz allem privat reisen. Denn es ist an der Zeit, die Komfortzone zu verlassen. Alles in meinem Leben ist schon sehr lange sehr gut und wird langsam unwirklich. Gerade weil ich mich davor auch ein bisschen fürchte, macht es Sinn, den Reiserucksack zu packen und sich eine Zeit lang zu verabschieden von dem perfekt eingerichteten Leben hier.

Als erstes fliegen wir nach Israel, wo wir auf einer Biofarm gegen Kost und Logis arbeiten wollen. Wir werden voraussichtlich irgendwelches Gemüse anpflanzen und vielleicht auch Häuser aus Lehm bauen. Alles Dinge, die wir eigentlich gar nicht können, aber in der Hoffnung, den Ort nicht nur anzuschauen, sondern ihn uns einzuverleiben.

 

 


Anita Blumer,
9.6.2014, 113. Jahrgang, Nr. 4.

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Standpunkte:

10.6.2014, 19:56 Uhr.

Walter Hodel schrieb:

Und noch ein Tipp, liebe Frau Blumer: Schliessen Sie Ihrer Hilfstätigkeit eine zweite bei The Tent fo Nations (bei Bethlehem) an. Dann bekommen Sie einen guten Einblick in das Leben auf der andern Seite der grossen Mauer, wo zum Bespiel das israelische Militär kürzlich 1500 Obstbäume auf dem privaten Land einer Familie zerstörte unter dem Vorwand, das Land sei Staatsland (im Westjordanland!).


10.6.2014, 10:30 Uhr.

Guido Blumer. schrieb:

Der 113. Jahrgang basiert auf dem Respekt gegenüber allen Mitwirkenden der Vorgängerzeitungen: Vom «Anzeiger von Töss» bis zum «Stadtblatt», die sechsjährige Publikationspause mit eingerechnet. Unsere Hoffnung bleibt, dass einmal wieder mehr als immerhin die «Wandzeitung» publiziert werden kann.


10.6.2014, 09:17 Uhr.

Martin Stauber schrieb:

Sorry, keine Bemerkung zum Text, sondern zur Fusszeile: Der 113. Jahrgang irritiert mich schon ein bisschen ?!


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