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«Wandzeitung» vom 5.9.2015:

Eine wahrhafte Geschichte:

Fulminant.

Der Begriff «fulminant» hat im Laufe seiner Existenz im deutschen Sprachgebrauch eine Wandlung erfahren und bedeutet heute «grossartig, imposant, überwältigend». Doch geht «fulminant» auf den lateinischen Begriff für Blitz (fulmen) zurück. Wie ein Blitz ist der Circus Monti vergangene Woche in das wohl berühmteste Brachland Winterthurs, das Wachterareal beim Teuchelweiher eingefahren. Nur war zum Auftakt am 26. August niemand von der Stadtregierung dabei. Schade, denn was dieser Circus auf der gähnenden Leere des ehemaligen Parkplatzes mit seiner diesjährigen Show zuwege bringt, könnte unserer Stadt Leben einschenken.

Gewiss war die Nutzung der Wachteranlage als Parkplatz keine Augenweide. Ich wünschte ihn mir auch nicht mehr zurück. Längst brauche ich das Auto nicht mehr, um noch rasch etwas zu besorgen. Diese Lehre hat mir die Stadt erteilt. Was ich aber nicht begreifen kann, ist aller Welt zu zeigen, dass Winterthur oberflächlich spart, damit im Untergrund die Kasse einer Pensionskasse klingelt. Das Wachterareal ist seit dem Parkhaus die meiste Zeit im Jahr nicht nur leer, es ist öde. Öde ist ein Gefühl, das passiv mit dem Leben kämpft. Kein Mensch kann zu 100 Prozent öde sein. Längst wäre er gestorben.

In Zürich ist es anders. Da wurde der Sechseläutenplatz mit teuren Granitsteinen vergoldet. Jetzt soll er die Mehrheit im Jahr leer sein, so wird es verlangt, damit er zu einem Ort der öffentlichen Begehung und Begegnung werden kann. Das Zürchergefühl der Leere ist aber aktiv, so dass neben dem Zirkus Knie zwecks freiem Zugang und Genuss kaum ein anderer gastieren darf.

Nein, so wie in Zürich brauchen wir Winterthurer nicht zu klotzen. Auch unsere Parks sind schön, das stimmt. Doch nur ein einziger öder Ort kann wie eine rostige Stecknadel im Heuhaufen wirken: Wenn sie sticht, vergiftet sie.

Bei einem Platz, auf dem nichts passiert, passiert nichts. Das ist wie bei einem Menschen, der den Sinn für das Dasein verliert. Es breitet sich bei ihm Gefühlslosigkeit aus. Deshalb hätte ich mir so sehr gewünscht, dass zum Auftakt einer fulminanten Show wie die des Circus Monti, wenigstens ein Stadtrat sein Rendevouz eingehalten hätte. Das Date wäre wie eine Faust aufs Auge gewesen. Das Wachterareal will belebt sein! Es will leben und Winterthur bereichern! Die Show im Circus Monti machte es vor: In einer spröden Amtsstube wurden Menschen zu Stars. Keiner wurde vergiftet. Im Gegenteil, sie fassten Mut und arbeiteten sich zu Höchstleistungen durch, für die das Publikum Tickets kaufte.

Genau das erwarte ich beim Bezahlen meiner Steuern. Ich erwarte Menschen in der Stadtregierung, die mit Gefühl die Stadt bewegen. Dafür bezahle ich, um in jedem Augenblick Höchstleistung zu bekommen, die mir sonst keiner gibt. Hätte die Stadtregierung wenigstens ein Grundgefühl und würde dies täglich zu einem Prozent dem Steuerzahler geben, das Standing-Ovation hätte sie auf sicher. Übrigens, wenn am 7. September das Wachterareal wieder öde ist, kann man die fulminante Show in Zürich auf dem Kasernenareal sehen.

 

 

 

 

 


Heiner Dübi,
5.9.2015, 114. Jahrgang, Nr. 248.

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