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«Wandzeitung» vom 5.11.2015:

Wir bringen die Stadtseele zum Sprechen:

Die Rieter AG verliert den Stand.

Kopf und Herz würden in Winterthur bleiben, verkündigte CEO Klapper, kaum kam der Stapi von der Schulreise mit der Abteilung Standortförderung aus Japan zurück. Mit anderen Worten, die Maschinenfabrik Rieter AG ist auf dem Weg, sich ins Bett der Intensivstation im Kantonsspital zu legen. 200 Arbeitsplätze werden abgebaut. Fertig mit Produktion in Winterthur. Nostalgisch bleibt vorerst noch die Montage, um das Label Swiss zu garantieren.

Wie will eine Delegation in Japan um Firmensitze in Winterthur werben, wenn gleichzeitig die Rieter AG Menschen und Boden entlässt, sich ins Koma legt und an Muskeln verliert? Globalisierung heisst, die Standortförderung weniger in Japan, sondern im Hier und Jetzt zu suchen. Globalisierung heisst, den eigenen Raum zu stärken, damit wir kräftig und mächtig im Austausch mit anderen sind. Das macht uns interessant.

Bedeutet der Entscheid der Rieter AG, gleichwertig in Indien und China zu produzieren nicht, Winterthur den Atem zu entziehen? Ich will damit nicht die Schweizerqualität gegen asiatische Produkte ausspielen. Ich will damit auch nicht das Schweizerfränkli mit dem Euro weinen machen. Ich will damit nur in die Runde werfen, dass das Wort global «Austausch» bedeutet und nicht Gleichmacherei.

Schauen wir auf unsere Industriegeschichte zurück: Längst hat sich Sulzer in Winterthur in eine Warze verwandelt, deren Stachel weitherum sichtbar und bereit ist, vollends aus dem Boden gezogen zu werden. Rieter wird zwar nie eine Warze werden, jedoch ein Schwarzer Moloch. Wir können nicht so tun, als ginge es uns schlecht und gleichzeitig lassen wir es zu, dass Rieter mit Kopf und Herz, aber ohne das Zusammenspiel aller Organe den Zustand unserer Stadt verschlimmert. So lange nämlich das Spital das Management im künstlichen Koma hält, werden wir auch keine neuen Firmen für den Raum Eulachtal finden. Da gibt es weder zu bedauern noch zu beklagen, sondern direkt ans Krankenbett zu gehen und ehrlich zu sagen: «Liebe Rieter AG, wenn du schon meinst mit der Zeit zu leben, dann nimm doch auch Kopf und Herz nach Asien mit. Zieh weg, befreie uns vor schlimmeren Folgen und versuche, dort nochmals dein Glück aufzubauen. Wir können in Winterthur nur Unternehmer mit Unternehmen brauchen, die hier und jetzt an der Gesundheit oder Genesung ihrer Organisationen arbeiten, damit die stadteigene Kraft wieder Freude hat, sich im Rieterareal auszubreiten und sich mächtig zu entfalten. Würde die ganze Stadt zu deinem Spielball, zögen wir künftig Gleiches mit Gleichem an. Neue Moloche kommen und der gesunde Menschenverstand unserer Stadt bliebe vollends auf der Strecke. Da können wir dich lange um Vergebung bitten oder bedauern. Die Vorboten sind längst schon da und beginnen wie Ratten an der Stadt zu nagen und bringen Winterthur wie ein materielles Allgemeingut um.»

So lange sich Winterthur als Raum und Körper nichts zu Gute tut, hat auch die Stadtseele keine Lust, darin zu wohnen. Es gibt Menschen, die Winterthur lieben. Ich gestehe, ich gehöre nicht dazu. Denn ich kann nur Seelen lieben. Ich wünschte der Stadt mehr Seele und etwas mehr Mut zeitlos zu sein.


Heiner Dübi,
5.11.2015, 114. Jahrgang, Nr. 309.

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