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«Wandzeitung» vom 12.5.2015:

Freiheit und Zwang sind heute schon sehr gross:

Plädoyer gegen die Präimplantationsdiagnostik.

Die Abkürzung ist so unverständlich wie der ausgeschriebene Begriff: Präimplantationsdiagnostik. Er bezeichnet medizinische Untersuchungen am künstlich erzeugten Embryo, bevor dieser in den Mutterleib eingepflanzt worden ist – nicht zu verwechseln mit der Pränataldiagnostik, der Untersuchung des Embryos oder Fötus im Mutterbauch. Das Zweite ist in der Schweiz erlaubt, das Erste ist verboten – anders als in den meisten anderen europäischen Ländern. Ähnlich restriktive Gesetze wie die Schweiz hat Deutschland.

Nun soll Präimplantationsdiagnostik auch in der Schweiz zugelassen werden. Darüber stimmen wir am 14. Juni ab. Eine schwierige Vorlage, bei der sich wohl viele am liebsten der Stimme enthalten würden. Wie man auch entscheidet, es ist in jedem Fall falsch und ignorant. Sei es gegenüber den gesundheitlich vorbelasteten Paaren, die sich ein Kind wünschen, ihm aber die innerfamiliär vererbte Krankheit nicht zumuten wollen. Oder sei es gegenüber der Natur, den Lebenden mit Behinderung, deren Existenz abgewertet wird, indem man die Geburt weiterer solcher Kinder systematisch verhindern will.

Sagt man nein, gehört man mit grosser Wahrscheinlichkeit christlichen Kreisen an oder Fortschrittsskeptikern, die auch gegen Impfungen sind und Schulmedizin allgemein ablehnen. Liberale und pragmatische Zeitgenossen befürworten in der Regel die Gesetzeslockerung. Sie wollen die ethische Frage dem mündigen Individuum überlassen. Zudem fördert das heutige PID-Verbot den Tourismus in Länder, welche die Untersuchungen im Reagenzglas erlauben. Nicht zuletzt ist das Verbot ein Widerspruch zur Erlaubnis der Pränataldiagnostik und zur Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs. Manipulation im frühesten Stadium ist also verboten, beim weiter entwickelten Lebewesen aber erlaubt.

Ich lehne die Verfassungsänderung trotzdem ab, welche der PID den Weg bereiten soll. Es gibt nicht nur ethische Argumente für das Verbot, sondern auch praktische. Es ist richtig, das Leben in seinem frühesten Stadium zu schützen. Gerade weil es noch keine Hände und Füsse hat, eignet es sich bestens als medizinisches Forschungsmaterial. Das Potenzial von Eingriffen ist im Labor grösser als beim Monate alten Fötus, der im Mutterbauch geschützt ist und zu dem die meisten Eltern schon eine wie auch immer geartete Beziehung haben. Die Verfügbarkeit von künstlich erzeugten Embryonen birgt automatisch die Gefahr von Missbrauch.

Ein weiteres Argument gegen die PID ist der anhaltende Druck zur äusseren Perfektion, der noch weiter zunehmen wird. Ebenso hält die Tendenz an, jedes Risiko zu versichern und damit eine Illusion von Sicherheit und Anspruch auf eine perfekte Gegenleistung bei «richtigem» Verhalten. Die Freiheit, sich abzusichern, ist auch ein Zwang, es zu tun. Freiheit und Zwang sind schon heute sehr gross. Wir sollten es dabei bewenden lassen.

 

 


Claudia Blumer,
12.5.2015, 114. Jahrgang, Nr. 132.

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