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«Wandzeitung» vom 12.11.2015:

Fundraising:

Ich brauche keine Pinzette.

«Danke, dass sie sich für die Gesundheit der Ärmsten engagieren», steht auf der in Plastik eingeschweissten Karte. In den Plastik mit eingeschweisst ist eine metallene Pinzette, die beiden Arme vorne umfassst von einer kleinen Plastikmanschette. Wohl damit sich das Ganze besser ins Couvert verpacken lässt.

Umfasst war das Plastikpaket mit Begleitschreiben plus Einzahlungsschein. Verschiedene Projekte werden vorgestellt und auf dem Einzahlungsschein kann ich wählen, ob ich den vorgedruckten nehme, für eine Einzahlung von 30 Franken oder aber einen freien Beitrag einsetze. Ich werde auch informiert darüber, was mit meinem Geld geschieht. Mit 30 Franken beispielsweise beteilige ich mich an der Ausbildung einer Geburtshelferin in Nepal und sorge für mehr Gesundheit bei Müttern und Kindern.

Jetzt frage ich mich natürlich, wer denn meine Pinzette bezahlt. Die Herstellungs- und Verpackungskosten plus den Versand. Und wer für die Kosten der Begleitschreiben aufkommt, für die Fotos etc.

Und was mache ich damit? Ich brauche keine Pinzette! Soll ich das Päckli zurückschicken? Aber was sollen die mit der Pinzette? Sie in eines ihrer Projektgebiete schicken, damit sie dort gebraucht werden kann? Für eine Pinzette zahlen, die ich nicht brauche und den Beitrag aufrunden, damit noch etwas für die Projektarbeit bleibt?

Die Pro Juventute schickt mir das fiktive Tagebuch einer Jugendlichen. Plus ein kleines Büchlein für Notizen oder so. Liniert. Sowas brauche ich nicht. Weder fiktive Tagebuch noch Notizbüchlein. Begleitet werden die «Geschenke von einem Bettelbrief mit Einzahlungsschein. Diesmal sind 50 Franken zu finden als «Mindestbetrag», aber ich darf frei wählen, ob ich mehr bezahlen möchte.

Was mache ich mit fiktivem Tagebuch und Notizheft? Zurückschicken, damit es jemand anderes gebrauchen kann? Direkt wegwerfen? Weitergeben? Jemandem, der nicht auf der Spendenliste der Pro Juventute steht? Dafür bezahlen? Nicht bezahlen und der Hilfsorganisation Kosten verursachen? Mir damit ein schlechtes Gewissen einhandeln (was ja durchaus beabsichtigt ist)? Aus meiner Zeit im Präsidium der Grünen Kanton Zürich weiss ich, dass grundsätzlich sechsmal pro Jahr ein Spendenbrief verschickt werden sollte, einfach weil alle das so machen. Aus dieser Zeit weiss ich auch, dass sich professionelle Organisationen damit befassen, was eine Spenderin zu bezahlen bereit ist. Ob der Spendenfluss vergrössert werden kann, wenn unnötiges Material mitverschickt wird, sechsmal pro Jahr. Das ist von Organisation zu Organisation verschieden, kann gegen gutes Geld ermittelt werden.

Das nennt sich Fundraising und ist längst zwingender Bestandteil jeder NGO geworden. So lange wir uns also normiert verhalten, brav spenden und Unnötiges einfach rumliegen lassen bis wir es entsorgen, ändert sich nichts.

Ich habe mir angewöhnt, mich jeweils telefonisch bei diesen Organisationen zu melden. Zu begründen, warum sie mich von der Spenderliste streichen sollen. Weil ich nur Organisationen spende, die mir kein Material schicken. Damit meine Spende vollständig dem entsprechenden Projekt zu Gute kommt.

 


Marlies Bänziger,
12.11.2015, 114. Jahrgang, Nr. 316.

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