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«Wandzeitung» vom 10.1.2015:

Weltreise 2:

Geldprobleme.

Vor einigen Monaten habe ich an dieser Stelle beschrieben, warum ich zum Reisen ein ambivalentes Verhältnis hatte. Mittlerweile sind meine Vorbehalte einer Faszination gewichen und deswegen möchte ich gelegentlich ein paar Reisegeschichten mit Ihnen teilen. Denn: «Sharing is Caring» und das Credo jedes Reisenden. Fremde Menschen teilen mit uns ihre Wohnung und ihr Leben. Sie stellen uns ihre Freunde und Familie vor, verpflegen uns und zeigen uns ihre Kultur. Dass Geld dabei keine Rolle spielt, scheint mir eine wichtige Voraussetzung zu sein, um sich nahezukommen.

Dazu eine kleine Anekdote: Sie spielt in Antalya. Antalya ist eine Touristenstadt an der türkischen Riviera. Wir waren auf der Durchreise, nachdem wir zuvor in einem Dorf in den Bergen gearbeitet hatten und mit der Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Türkinnen und Türken jede Menge gute Erfahrungen gemacht hatten. Wir wurden von fremden Menschen zu Hochzeiten, zum Essen oder zum Tee eingeladen. So fanden wir nichts Ungewöhnliches daran, als uns ein junger Türke mit dem wir ins Gespräch kamen, die «echte Altstadt» von Antalya zeigen wollte. Es liege sowieso auf seinem Heimweg und wir sollten mitkommen. Er sprach sehr gut deutsch und erzählte, er hätte drei Jahre in München Archäologie studiert. Er hatte allerlei interessante und witzige Geschichten über den Ort auf Lager und führte uns durch alte Gässchen an dem ältesten Haus der Siedlung vorbei und zur Moschee der Aleviten. Wir hatten Hakan bereits ins Herz geschlossen, als er uns am Ende der Tour nach einem «Trinkgeld» fragte. Wir gaben ihm etwas Geld, aber er wollte noch mehr. Also gaben wir ihm mehr. Er bedankte sich und war schnell weg, während wir getroffen und etwas verwirrt zurück blieben. Hakans Interesse an unserem Geld hatte die ganze Begegnung sozusagen entwertet. Dabei war es doch sehr nett mit Hakan, und natürlich habe ich Verständnis für seine Geldnot! Trotzdem hat das Geld uns sofort meilenweit von ihm entfernt, während wir uns kurz zuvor noch ganz nah waren. Wir fühlten uns betrogen. Doch worin bestand denn eigentlich der Betrug? Er hatte uns ja nur nach einem Trinkgeld gefragt. Wir hätten auch nein sagen können.

Als wohlbehütete Schweizer sind wir überfordert mit der Armut in manchen Orten in der Welt. Wir fühlen uns schlecht, wenn wir sehen, dass Kinder betteln und es geht uns nicht etwa besser, nur weil wir ihnen ein paar Münzen geben, weil wir ahnen, dass unsere Wohltätigkeit nur ein Ausdruck unserer Macht ist. Wir haben ein schlechtes Gewissen und reagieren umso sensibler, wenn man uns auf diesen westeuropäischen Reichtum reduziert. Es scheint mir, als sei das Geld nicht nur ein Problem für diejenigen, die es nicht haben, sondern auch für diejenigen, die es haben.


Anita Blumer,
10.1.2015, 114. Jahrgang, Nr. 10.

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