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«Wandzeitung» vom 16.6.2015:

Was einen nicht umbringt, macht einen hoffentlich stärker:

Schachmatt.

Vor zwei Wochen ist es passiert. Eine unachtsame Bewegung, oberflächliches Atmen, dann ein Zerren im oberen Rücken, und ich ahnte Böses. Am folgenden Tag spürte ich es im Kreuz, einen weiteren Morgen darauf der hoffentlich absolute Tiefpunkt. An Gehen war nicht mehr zu denken, auf allen Vieren und nur sehr langsam gelang es mir, in einer halben Stunde Banalitäten zu erledigen, die ich sonst in zwei Minuten schaffe. Dann immer wieder die mühevollen Aufricht-Versuche, das Auffangen mit der Oberarmkraft, das Festhalten an diversen Vorrichtungen, wenn es mir ins Kreuz schlug.

Ich war um die 25 Jahre jung, als ich das erste Mal Schachmatt gesetzt wurde. Damals war ich das erste Mal so richtig emotional gestresst, den Grund weiss ich nicht mehr. Der Arzt, den ich damals aufsuchte, sagte, ich hätte ein längeres Kreuzband als andere Menschen. Der Vorteil sei, dass ich deshalb überbeweglich bin, der Nachteil, dass ich mich leichter ausrenke. Was genau in meinem Körper vorgeht, wenn ich mich ausrenke, weiss ich nicht. Die Folgen kenne ich: Die Muskeln verhärten sich und drücken auf diverse Nerven, die sich dann entzünden.

So schlimm wie jetzt war es noch nie. Wohl weil ich noch nie so emotional gestresst war wie gerade jetzt. Zweimal war ich beim Chiropraktiker, zweimal hat er mich eingerenkt. Der Knacks war laut. Es hielt leider nicht und ich sehnte mich nach einer sanfteren Methode. Denn eine seelische Erstarrung hatte zum körperlichen Trauma geführt und ich wollte es mir nicht zumuten, mich einer für mich traumatischen Behandlung zu unterziehen. Eine Woche nach dem Vorfall ging ich zu einem Osteopathen. Er lockerte meinen Körper durch sanfte Druckbewegungen und ich dachte, die teure Behandlung ist jeden Franken wert! Nach einem Tag konnte ich wieder fast normal gehen. Heute spüre ich an der Stelle, wo ich ausgerenkt war, manchmal noch ein Stechen, das mich beunruhigt, aber was wirklich schlimm ist, ist, dass ich durch die Schonhaltungen anderswo im Rücken und im Nacken verspannt bin und dies immer spüre, auch im Liegen. Ich war in der Massage und der Therapeut hat sein Bestes gegeben. Gegen den zwischenzeitlich eingeklemmten Nerv im oberen Rücken lässt sich aber nichts machen. Der muss sich schon von selbst lösen. Eine Freundin drängt mich immer wieder dazu, zum Arzt zu gehen. Aber ich hüte mich bis jetzt davor, in der "Ärzte-Mühle" zu landen.

Ich weiss, dass nur ich mich heilen kann, auch wenn dies kaum jemand versteht. Das, was mich beschäftigt, ist so vielschichtig, so existentiell, so widersprüchlich, dass ich nicht darüber schreiben kann. Es ist so schwer auszuhalten, so unlösbar, braucht so viel Geduld, ist so gross, dass es einfach zu viel ist. Die Hoffnung: Dass ich Kraft meiner Gedanken doch irgendeinen Weg finde, mich selber zu heilen. Dann weiss ich bestimmt: So stark wie jetzt war ich noch nie.

 

 

 


Rosmarie Schoop,
16.6.2015, 114. Jahrgang, Nr. 167.

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Standpunkte:

5.9.2015, 21:46 Uhr.

Veronika Herzig Cissokho schrieb:

Der letzte Satz in diesem Text gefällt mir am besten: «So stark war ich noch nie». Im nordamerikanischen Schamanismus gibt es den Begriff «the wounded healer», was bedeutet: Nur wer gelitten hat, verwundet
worden ist, kann Empathie empfinden, kann ein guter Heiler sein, in welcher Form auch immer.


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