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«Wandzeitung» vom 15.2.2015:

EIN SATZ:

Bil-Dung.

Die Kompetenten sind für nichts zuständig, zu manchem fähig und zu allem bereit. ODO MARQUARD, zitiert nach KONRAD LIESSMANN, Die Praxis der Unbildung.

Da haben wir uns durch Lektionen und Lektionen gelangweilt. Kindheit und Jugend dahin. Niemand verstand oder würde je brauchen, was auf der Wandtafel, per Epidiaskop oder Diaprojektor auftauchte. Letzterer hatte den Vorteil, dass wir bei jedem Bildwechsel durch ein Klicken aus der Gelassenheit, die uns die Augen schliessen liess, in die Realität zurückgeholt wurden. Wir mindestens nannten es Gelassenheit und hielten uns für Philosophen.

So etwas bewirken die heutigen Powerpoint-Präsentationen erst dann , wenn der Laptop, auf dem sie laufen, seine Kühlventilatoren zum Aufheulen bringt, wozu es zuerst mehrerer Dutzend Folienwechsel bedarf. Jede Didaktik sollte das Schwierige einfach machen. Mit Powerpoint kann man aber nichts Schwieriges darstellen, sondern nur Einfaches, dafür aber umso bunter. Seit einiger Zeit gibt es die Prüfungsersatzleistung. Anstatt eine Matheklausur zu bestehen, präsentiert der Schüler ein paar Vektoren – mit Powerpoint. Alles schön bunt hier.

Aber zurück zur Bildungsvergangenheit. Die alte Schule, die einem atemberaubend modern vorkam, wenn man Szenen aus der Feuerzangenbowle anschaute, gibt’s nicht mehr. Was uns auf dem ersten Blick frohlocken macht, lässt uns auf den zweiten das Blut in den Adern gefrieren. Zwar wird der Bildungshaufen, der als Restmüll in unseren Hirnwindungen klebt, unterdessen nicht mehr auf die Jugendlichen abgekippt, dafür erwerben sie nach Lehrplan 21 rund 4000 Kompetenzen. Je nach Aktualität wird die eine oder andere von der alarmierten Öffentlichkeit zur unbedingten Kernkompetenz hinaufstilisiert. Bis jede auch noch so banale einmal dran war.

Und wieder hin zum Prüfungsersatz: Der Schüler weiss nichts von Mathe, er hat aber die Kompetenz, einzuschätzen, wie leicht oder schwer ihm mathematische Aufgaben fallen. Letzteres natürlich. Später wird er Chirurg, und wir lassen uns von ihm, der weiss, wie schwierig das ist, den Blinddarm herausnehmen. Oder was immer das Kompetenztalent für den Blinddarm hält. Die Schwester, die ihm dabei Tupfer oder Schere reicht beziehungsweis was sie dafür hält, hat in Pflegewissenschaften promoviert und ihre Doktorarbeit über Sozialkompetenz des Operationsteams und ihre praktische Anwendung während der Anästhesie verfasst.

Was können wir dagegen tun? In den Tisch beissen ist nicht ratsam, weil sowohl die Zahnmedizin als auch das Schreinergewerbe kompetenzverseucht sind. Bleibt uns, nachdem unsere Hirnwindungen gewaschen wurden, ebenfalls Kompetenzen zu erwerben, am besten Kompetenzkompetenz. Und noch besser in einem Kompetenzkompetenzzentrum. Es übernimmt die «Wandzeitung» und lässt im Schaukasten am Obertor ausgedruckte Powerpoint-Folien aushängen, wahlweise in blutrot, giftgrün oder kackbraun.


Adrian Ramsauer,
15.2.2015, 114. Jahrgang, Nr. 46.

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Standpunkte:

17.5.2015, 23:56 Uhr.

Adrian Ramsauer schrieb:

...und natürlich an uns allen...


17.5.2015, 23:55 Uhr.

Adrian Ramsauer schrieb:

Bitte lasst diesen Kelch an mir vorübergehen.


29.3.2015, 14:33 Uhr.

Haymo Empl schrieb:

Adrian Ramsauer hat, wie seine Kolumnen zeigen, die Kompetenzen, um Stadtrat zu werden. Er sieht die Dinge aus einem anderen Blickwinkel. Er hat die Fähigkeit, die Auswirkungen von Entscheidungen auch für die Zukunft zu beurteilen. Dazu kommt sein Humor – für den Stadtrat in Zukunft eine der wichtigsten Eigenschaften. Ramsauer ist der bestgeeignete Kandidat für die nächsten Stadtratswahlen.


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