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«Wandzeitung» vom 15.3.2015:

EIN SATZ:

Der Hirtenjunge und der Wolf.

Warum syt dir so truurig? / Förchtet der das, wo chönnt cho? / Aber dir syt doch versicheret ... MANI MATTER

Nicht fremd ist auch der kleinen, fast grossen und bald vieltürmigen Stadt, die wir alle gut kennen, das Zitat des grossen Berner Troubadours. So kann ich munter zum Wort zum Sonntag schreiten, wenn ich es auch im Gegensatz zum letzten von Mitte Februar nicht in gedruckter, sondern nur in virtueller Form über Sie ergiesse.

Fremd ist der aktuellen Seelenlage auch hierzustadte hingegen die Trauer. Stattdessen herrschen Wut, Entrüstung und Empörung. Sonnige Frühlingstage bescheinen das Gemüt, doch es ist erregt. Nicht aus hormonellen Gründen.

Überall dräut Unsicherheit. Zu Mani Matters Zeiten machte sie traurig, heute ungehalten. Der Mensch ist sicherer denn je. Der Wohlstand ist erheblich, die Kriminalität gering, doch hinter jedem Eigentum wittern wir den Abzocker – die Abzockerin gibt es nicht und wo doch, ist sie emanzipatorisch gerechtfertigt. Und hinter jedem ergrünenden Busch den Aggressor, der alles schändet, was wir zumindest nach aussen als lieb und teuer verkaufen. Die Aggressorin existiert natürlich nicht... Es gibt eine fast mathematisch präzise Formel, die beschreibt, dass die Verbesserung der Lebensumstände zum erzeugten Glücksgefühl in umgekehrt proportionalem Verhältnis steht. Sie heisst Verlustangst und kann nur auftreten, wo es etwas zu verlieren gibt. Und sie scheint ein paar Kilometer vom Abgrund ausgeprägter als direkt über der Felswand.

Es ist also ganz einfach. Ginge es uns wirklich dreckig, wozu es früher oder später kommen wird, wären wir zufriedener. Vielleicht sollten wir den politischen Kräften danken, die alles zu erreichen trachten, dass es uns schlechter geht. Vielleicht sind sie und nicht die konstruktiven auf dem richtigen Weg, so es einen in einer hyperkomplexen Welt überhaupt geben kann. Und pikant ist, dass sowohl die Destruktiven, die nicht müde werden, ihren geistigen Unrat in die Öffentlichkeit zu kippen, am gleichen Strick ziehen, wie jene, die sensibilisiert durch deren Hiobsbotschaften im Minutentakt nach mehr Versicherung in Form von Überwachung, Repression, Regelungen und Policen schreien.

Die Fabel vom Hirtenjungen und dem Wolf ist in ihr Gegenteil verkehrt. Man glaubt nicht ihm nicht mehr den Wolf, sondern jedem auch noch so unbedarften Hirtenjungen nicht nur ein ganzes Rudel Wölfe, sondern jede Schauergeschichte. Und alles, was mit Sicherheit sein Geld verdient, nicht nur Versicherungen, sondern auch Polizei, Justiz, Präventions- und Überwachungsindustrie lebt nicht schlecht davon. Nur die Freiheitsrechte welken. Nicht dass ich ein Gegner von Versicherungen wäre. Nur, dass meine Krankenkasse die Kosten für die im Zeichen der Gesundheitsprävention unentbehrliche Rahm-Quark-Torte des deutschen Arztes Dr. Oetker und für die ihr in nichts aber auch gar nichts nachstehenden Kuren der Weinbauklinik Dr. Losen partout nicht vergüten wollte.

 

 

 

 


Adrian Ramsauer,
15.3.2015, 114. Jahrgang, Nr. 74.

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