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«Wandzeitung» vom 15.4.2015:

EIN SATZ:

Persönlichkeitswahl.

Dieses Jahr haben sie extrem früh damit begonnen, die Vogelscheuchen rauszustellen. MARUNDE, Cartoon aus Landleben, www.wolf-ruediger-marunde.de

Hurra, die Vogelscheuchenzeit ist vorbei, wenn auch nur für ein paar Monate. Ab Oktober ist in der kleinen, bald grösseren Stadt, die wir alle gut kennen, sogar für mehr als ein Jahr Ruhe.

Erst auf die Gemeindewahlen 2018 hin ist wieder mit einem erhöhten Aufkommen in Lächeln erstarrter Fassaden zu rechnen. Geschminkt und gefotoshopt. Selfies von dritter Hand. Glücklicherweise ist die mit dem Konterfei gekoppelten Aussage inhaltsleer. So bleiben die netten Frauen und Männer wählbar. Sie tun niemandem weh, also hoffentlich auch mir nicht. Dass die Inhaltsleere geistig schmerzt, ist nebensächlich und Werbealltag.

Der Bahnhofunterführung mit den Selfies in Reih und Glied konnte man nicht entkommen. Hingegen hielt einen bis nach Ostern die Kälte von Feld und Flur ab, so dass man den auf jedes noch so kleine Stückchen Acker gepfählten Stelen erst in vergammelnden Zustand ansichtig wird. Ein Papierfetzen mit dem Bild eines gewählten Ratsmitglieds flattert um einen morschen Pfosten in einem Kabisfeld. Nachdenklich wird, wem dies gegeben, wer bedenkt, dass nach der Wahl vor der Wahl ist.

Ich wähle immer sogleich nach Eintreffen des Wahlcouverts. So nehme ich unbeeinflusst von der Werbemaschinerie, die meist erst zu spät zu rotieren beginnt, meine völlig unabhängige, lediglich von meiner inneren Ideologie geprägte Stimmabgabe vor. Die meiste Propaganda flutet erst in meinen Briefkasten, wenn sie, ausser ihn zu verstopfen, nichts mehr ausrichtet.

Wahlen sind Persönlichkeitswahlen. So wähle ich ganz persönlich. Ich nehme meine Hausliste, nur schon um das eigene Amt nicht zu gefährden. Dort alles rausgestrichen, was mich irgendwann in der Parteigeschichte genervt hat. Überraschenderweise bleibt mehr als erwartet. Vielleicht auch deshalb, weil viele Nervensägen inzwischen wieder gegangen sind und nicht mehr auf den Listen auftauchen. Möglicherweise die Folge davon, dass man selbst aus ihrer Sicht die Nervensäge war und die eigenen unverrückbaren Ansichten sie vertrieben haben. Die mehr als erwarteten werden kumuliert. Und dann kreiere ich mein ganz persönliches Potpourri, indem ich dazupanaschiere, was das Zeug hält. Fühle ich mich mutig, bediene ich mich aus einem Fundus, dessen Verwendung ein Parteiausschlussverfahren nach sich zöge, gäbe es kein Wahlgeheimnis.

Schade, dass es bei den Regierungsratswahlen keine vorgedruckten Listen gibt. Allen Regierenden, die einen bei dieser oder jener Gelegenheit geärgert haben, mit einem fetten Strich den Garaus zu machen und hineinzupanaschieren, was den Staat Zürich in seinen Grundfesten erschüttert, das würde ganz viel Spass machen.

Aber Ernsthaftigkeit muss sein. Und so kritzle ich ganz persönlich und kreativ einmal das auf den Zettel, was mir nützt (siehe oben). Und dann frei nach dem PR-Grundsatz der ganz grossen Stadt im Westen «Erlaubt ist, was nicht stört» ein paar Leute, denen niemals Stricke um den Hals gelegt werden, weil keine da sind, die sie zerreissen könnten.

 


Adrian Ramsauer,
15.4.2015, 114. Jahrgang, Nr. 105.

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