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«Wandzeitung» vom 15.10.2015:

EIN SATZ:

Gekrönte Demokratie.

Kandidaten sind in der Stadt. Erbarmen, oder lass mich mit ihnen ziehn. Frei nach REINHARD MEY.

In ein paar Tagen werden wir sehen, ob uns das Wahlvolk gnädig ist. Nicht zu verwechseln mit dem Volk, das nur partiell mit den Wahlen in Verbindung steht. Bloss etwa 46 % der Wahlberechtigten warfen 2011 einen gültigen Stimmzettel ein. 3 % verstanden unter Panaschieren den Konsum eines Hopfengetränks, unter Kumulieren die Vermehrung des Wertschriftenportefeuilles, warfen alle Listen von der Dicke eines Telefonbuchs auf einmal in die Urne oder vergeigten die Stimmabgabe sonstwie. Die Differenz von 51 % bildet zusammen mit den Nichtstimmberechtigten die stolze Zahl von fast einer Million Menschen. Nicht einmal ganz ein Drittel der Hiesigen bildet so die demokratische Legitimation jener, die uns in Bern vertreten. Glücklicherweise in 150 Kilometer Distanz, so dass die Weissagungen erst mit Verzögerung oder gar nie hier eintreffen. Eine Mehrheit der zur Wahl Berufenen hielt das Wahlcouvert für die Handyrechnung und warf nach flüchtigem Blick und der Erleichterung, dass kein Einzahlungsschein dabei war, die ganze Angelegenheit auf die Altpapierbeige, in den Gebührenkehricht oder im ungünstigsten Fall nächtlicherweile in einen öffentlichen Papierkorb. Gebt Gott, was Gottes ist, und der Stadt zurück, was sie in deine Briefkästen geworfen hat.

Nach diesem Grundsatz müsste die wählerstärkste Partei waschkorbweise Retouren erhalten. Als VIP-Postnutzer in der kleinen, fast grossen Stadt, die wir alle gut kennen, verfüge ich über drei Briefkästen, den toten für meine nicht mehr fichierte Agententätigkeit und die elektronischen nicht mitgezählt. In jedem finde ich, unabhängig von der Anzahl Leerungen, stets Niederschmetterndes zur Zukunft unseres Landes. Eine Überprüfung ergibt schweizerische Präzision: Die Postwürfe sind mit den Plakaten identisch, an denen ich im grossen Bogen vorbeischleiche. Differenziertere Erkenntnisse zur Lage der Nation oder zur überragenden Kompetenz der Kandidierenden befinden sich auch in den überquellenden Briefkästen nicht. Dafür ging der Gutschein für 50 % Rabatt auf Cordon-Bleu unter. Die Metzgerei wollte den Wahlflyer von Natalie Rickli partout nicht als rabattberechtigt anerkennen. Ich vermute, weil ich gleich drei dabeihatte.

Die Parteien behaupten, sie hätten mit ihrer Inhaltslosigkeit die Nichtwähler im Auge. Sie irren. Sie erreichen bloss, dass niemand mehr wählen geht und folglich auch niemand mehr gewählt wird. Ein Nichtparlament als Krönung der Demokratie. Die Entsprechung gesellschaftlicher Beliebigkeit in der Politik.

Wahrscheinlich wird es 2015 noch nicht so weit sein, dass sich die Wählerinnen und Wähler nachhaltig abschrecken lassen. Spätestens 2019 aber bestimmt. Erst dann werde ich kandidieren.

 


Adrian Ramsauer,
15.10.2015, 114. Jahrgang, Nr. 288.

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